Montag, 26. April 2010

Alles kleine Nutten

Weibliche Sexualität, Ethik und Natur und die Rückkehr des Gottes Eros

Die These lautet, dass weibliche Sexualität tendenziell darauf gerichtet ist, Vorteile für das eigene Leben zu erlangen, während männliche Sexualität sich –ebenso nur tendenziell- im Sexualakt und damit in der Unterbringung der Spermien erschöpft. Für die Männer war es seit je notwendig, sich der weiblichen Sexualmacht nicht bedingungslos unterwerfen zu müssen.

Beschränkung weiblicher Sexualmacht

Den Verführungskünsten der Frauen ausgeliefert zu sein, fürchteten die Männer, ungeachtet ihrer eigenen Lust, schon seit je. Die Frauen hatten es stets in der Hand, über den Willen des Mannes zu disponieren, wenn sie ihre weibliche geschlechtliche Macht einzusetzen bereit waren. Diese Macht besteht darin, den Willen des Mannes allein auf das ihm von der Frau bedeutete sexuelle Ziel auszurichten, dem sich alle seine anderen Wünsche, aber auch Entscheidungen unterordnen, bzw. mehr noch einordnen, alles von dem in ihm erweckten lustvollen Begehren gesteuert, sich mit der Frau zu vereinen. Den Wünschen der Frau nachzugeben, wird zum Teil der eigenen Lust, lustvoll unterwirft der Mann sich ihren Launen – wenn er dadurch nur zum Ziel gelangt. Es ist die Macht des Eros, die schon Hesiod damit pries, alle Vernunft, ansonsten Merkmal männlicher Entscheidungskraft, wie jeden wohlerwogenen Ratschluss außer Kraft zu setzen. Das sexuelle Ziel, mit dem die Frau den Mann lockt, ist selbst ein gültiger Grund, der keiner Begründung mehr bedarf. Als biologische Grundtatsache ist es der Vernunft vorgegeben, das heißt der Mann nutzt durchaus seine Vernunft und intellektuelle Begabung, um zu diesem Ziel zu gelangen, als Ziel selbst aber bedarf es keiner weiteren Begründung und versagt sich somit auch der Ableitung von anderen Gründen (oder einer Überprüfung an ihnen). Ihm entgegenstehende Gründe oder auch Begründungen schlägt es mühelos aus dem Ring. Frauen, die geschickt ihr sexuelles Potential einzusetzen verstehen, erwächst hierdurch eine weitreichende Macht gegenüber den Männern. Die griechische Mythologie ist getragen von dem Misstrauen dieser weiblichen Gewalt gegenüber. Die Amazonen konnten nur in letzter Not niedergerungen werden. Das war allein dem Eingreifen des Götterlieblings Achilles zu verdanken, der die Königin der Amazonen Penthesilea in einem auf Leben und Tod geführten Kampf schließlich erstach, nicht jedoch ohne dennoch ihrer Macht zu erliegen. Denn als Achilles Penthesilea den Todesstoß schon versetzt hatte, traf sein Blick den Blick der sterbenden Königin und dies allein reichte, Achilles fürderhin in ihren Bann zu ziehen und in heißer Liebe für sein Opfer zu entbrennen. Wer der Verführung entgehen will, der wende schon seinen Blick von der Schönen ab! Den Griechen galten die Frauen als so gefährlich, dass sie in der frühen Organisation ihrer Stadtstaaten darauf achteten, dass sie sich nimmer mehr zusammenrotten konnten. Sie wurden schlichtweg in ihren Häusern weggeschlossen und in ihrem öffentlichen Wirken beschränkt auf eine Teilhabe an besonderen Götterkulten (Kirche), sonst ausschließlich dem Haus und Hof zugewandt (Kinder und Küche). Die Griechen standen mit ihrer Furcht aber keineswegs allein. Zur gleichen Zeit wurden überall auch in der damaligen Welt die Frauen verhüllt und aus der Öffentlichkeit verdrängt. War die Gefahr, die von den Frauen für die Männer ausging, doch allbekannt. Der große blinde Seher der Antike Teiresias, der als Priester von Zeus sowohl das männliche und als auch das weibliche Geschlecht am eigenen Leib erfahren konnte, wurde– damals noch sehend- von dem Götterpaar Zeus und Hera zur Entscheidung ihres Streites gerufen, ob nun der Mann beim Geschlechtsakt das größere sexuelle Erlebnis habe (so Hera) oder aber das Weib (so Zeus). Teiresias überlegte nicht lange, bevor er verkündete „das Weib“ und sogleich anfügte: und zwar neun Mal mehr als der Mann! Daraufhin wurde er von Hera mit seiner Blindheit geschlagen, weil er das Geheimnis der Frauen verraten hatte. Die unbezähmbare Empfänglichkeit für weibliche geschlechtliche Avancen kannte jeder Mann aus eigener Erfahrung, ließ doch schon sie ihn alles tun und alles andere vergessen, allein um das entbrannte eigene sexuelle Verlangen zu erfüllen. Und von dieser am eigenen männlichen Leib erlebten sexuellen Kraft besaßen die Frauen neunmal mehr! Damit glich ein jeder weiblicher Leib einem hochenergetischen Sexual-Reaktor, dessen Kräfte, erst einmal freigesetzt, wie ein die Welt umschließender Magnet sich des Willens der betroffenen Männer bemächtigen konnte, indem er ihm die Richtung zum weiblichen Schoß vorgab, einem Ziel, vor dem alles andere verblasste. Die Konsequenzen dieser Gefahr sind überall erkennbar, wie bei einem Reaktor, galt es die Kraft zu zügeln, um sich ihrer bedienen zu können. Hierzu schufen Kultur und Moral ein ganzes Instrumentarium mit dem Ziel, die sexuelle Macht der Frauen zu beschränken. Strenge Bekleidungsvorschriften entzogen ihre Körperteile, mit denen sie die Männer betören konnten, deren Blicken und mit rigiden Verhaltensvorschriften beschränkte man einen jeden möglichen Kontakt, der die Männer in den weiblichen Bann hätte ziehen können. Man hielt die Frauen fern von der neuen Macht der intellektuellen Güter, die infolge der sich verbreitenden Schriftlichkeit geschaffen und durch Bildung vermittelt wurden. Die gesellschaftlich bedeutsamen Aufgaben der Frauen beschränkte man auf ihre unvermeidbare und notwendige Teilhabe, wie sich das Zeugen von Kindern gefallen zu lassen und sich anschließend mit deren Aufzucht zu befassen. Da die männliche Lust jedoch hierüber weit hinausreichte, ließ man besondere Frauen zu einem von all diesen Beschränkungen freien gemeinsamen Leben mit den Männern zu, wo sie ihre lockende Weiblichkeit nicht verbergen mussten, in ihrem Kontakten zu Männern nicht auf einen einzigen beschränkt wurden, und denen Bildung nicht versagt wurde – die aber darum vom Leben der anderen verhüllten und weggeschlossenen Frauen ausgeschlossen waren. Ihre Macht wurde durch ein allgemein verbindliches Unwerturteil von vorneherein beschnitten, Prostituierte und auch Nutten standen außerhalb der Gesellschaft, so notwendig sie auch für diese sein mochten. So konnte man sich ihrer an sich weiterhin ungezügelten sexuellen Macht bestens erwehren, spätestens wenn jeweils die Lust verraucht war. Damit ist die Stellung der Frau in der Gesellschaft und Kultur der letzten zweieinhalb Jahrtausende umschrieben.

Das Patriarchat, die Bändigung weiblicher Urkraft
Der Umgang mit der Sexualität in den Gesellschaften unserer Zeit ist weitgehend von diesem Zustand noch bestimmt, in der einen mehr, in der anderen weniger. Obgleich dem Mann vorgegeben wird, das es seine sexuellen Gelüste seien, die das Geschehen bestimmen, ist es die von den Frauen ausgehende Sexualmacht, die alles regiert - soweit ihre Ausübung in den Formen unserer Gesellschaften möglich ist , wenn ihre wie in den Betonmauern eines Reaktor gefangene Kraft dennoch hervorbricht. Dort brodelt es nach wie vor unvermindert, und jeder Mann, erst einmal von der durch die Risse der immer brüchiger werdenden Reaktoren herausquellenden Macht berührt, ist gefangen und sein Willen gefesselt, er giert nach Lust und Liebe. Er ist einem Sturm ausgesetzt, der seine allgemeinen Verstandeskräfte lähmt und ebenso die allgemeinen Willenskräfte, er will nur noch das Eine, das die Frau ihm bietet. Der Verstand der Frau agiert dabei von Natur aus wesentlich überlegter. Denn alles ist von Natur aus auf die Vermehrung gerichtet, ein Spiel, an dem der Mann nur bis zur Ejakulation beteiligt ist, ansonsten aber von der Frau dominiert ist, über die Monate der Schwangerschaft und die Jahre des Aufwachsens der erzeugten Kinder und darüber hinaus. Die Vaterschaft, wie sie heute noch den Begriffen einer durch das Aufwachsen der Kinder definierten Familie zugrundeliegt, ist weitaus neuerer Natur, als vielfach angenommen. Über viele Jahrzehnttausende wurden die Kinder in der Gruppe ihrer Mütter aufgezogen, die allein durch die Geburten definiert und neben diesen Müttern aus Schwestern und Brüdern und den Schwesterkindern gebildet wurde. Außerhalb der Gruppe stehende Männer traten vorübergehend nur durch den eigentlichen Geschlechtsakt hinzu oder über ihre Gefühle an eine bestimmte Frau gebunden zumeist nur eine Zeit lang ein. Von Vaterschaft hatte niemand eine Ahnung, vielmehr obwalteten die Natur und die Götter, die oft eine Göttin war. In langer Vorläuferschaft der Vaterschaft beschränkte sich die Aufgabe des Mannes allenfalls darauf, den weiblichen Schoß zu öffnen, damit die wieder zu gebärende Seele dort eintreten konnte – eine Vorstellung selbst erst neueren vorgeschichtlichen Datums. Die Gefühle der Menschen, die wir mit Lust und Liebe umschreiben, waren indes vorgegeben und haben seit je deren Verhalten regiert. Die Bedeutung der Lust und Liebe wurde vermutlich im letzten Jahrzehnttausend immer klarer und damit auch die Sexual- und Gebärmacht der Frauen. Als die Männer ihren Beitrag hierzu vollends erkannten, begann der Abstieg der Frau und ihre Eingliederung in Systeme, die ihre Sexualmacht beschränkten, ihre Gebärmacht in eine Zeugungsmacht der Männer wandelten und den Leib der Frauen auch physisch der Disposition der Männer unterwarfen. Dazu mussten einerseits körperlich jeder heterosexueller Drittkontakt ausgeschlossen werden, andererseits der unbeschränkte sexuelle Zugang des verfügungsberechtigten Mannes gewährleistet sein – auf den Willen der Frau kam es hierbei nicht an. Zeugen konnte man auch gegen ihren Willen, zudem band die Frucht die Frau auf Jahre an den Mann. Damit waren die Grundzüge der patriarchalen Ordnung geschaffen. Sie beseitigten aber nicht die sexuelle Grundstruktur, denn tatsächlich konnte sie den Frauen weder ihre Gebär- noch ihre Sexualmacht nehmen, allein ihre Auswirkungen auf die Männer wurden reguliert.

Der Preis von Lust und Liebe

Die Grundstruktur indessen blieb unverändert, auch seitdem sich die Frauen der neuen patriarchalen Ordnung unterwerfen mussten. Im Gegenteil gewann diese Struktur noch dadurch an Bedeutung, dass sich die Möglichkeiten der Frauen zur Entfaltung nunmehr nahezu ausschließlich auf ihre sexuelle Funktion und die sich hieraus ergebenden Aufgaben beschränkten. Wir sprechen hier nicht von den Wenigen, die Kraft der Liebe einzelner Männer (zumeist der Väter, manchmal auch der eigenen Männer) sich weit über die übliche Bildung und Ausbildung hinaus entwickeln konnten und durften, sondern von der Masse und dem Durchschnitt, der den Typus bestimmte. Die Grundstruktur bestand weiterhin darin, dass die Frau ihren Leib zu den Zwecken des Mannes (ursprünglich nur der Lust und später auch der Vermehrung und schließlich der Vaterschaft) zur Verfügung zu stellen hatte und der Mann hierfür Pflichten der Versorgung übernahm. Das war aber nunmehr ein Geschäft, nachdem es in seinen Auswirkungen von den Geschlechtern erkannt worden war, von für die Frau weitaus entscheidender Bedeutung als für den Mann. Denn der Mann, konnte er es sich wirtschaftlich leisten, vermochte überall seinen Nachwuchs sicherzustellen, die Frau indessen war mit einem einzigen Akt für viele Jahre gebunden. Nichts lag näher, als dass die Frau bei diesem einzigen Akt weitaus genauer hinsah und mit ihm auch weitaus mehr Überlegungen für die Zukunft verband als der Mann – und dies schon von Natur aus. Darin gründet auch, dass schon beim Entstehen der Gefühle von Lust, vor allem aber von Liebe für Frauen ganz andere Merkmale als für Männer entscheidend sind. Merkmale, die genetische und später dann auch soziale Zuverlässigkeit signalisieren, beeinflussen die genannten Gefühle bei Frauen weitaus entscheidender als die der Männer, deren sexuelle Reaktionen sich regelmäßig auf rein biologische Muster beschränken. Angesichts dieser Unterschiede liegt somit nahe, dass Frauen die Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit geschlechtlicher Aktivitäten regelmäßig mehr bedenken als Männer, deren geschlechtliches Verhalten typischerweise gerade eher durch einen Verzicht auf weitsichtigere Überlegungen gekennzeichnet ist. Der Mann denkt weitaus intensiver darüber danach, wie er eine Frau zum Beischlaf bringen kann, als über dessen mögliche Folge. Sorgsam ermittelt er den Preis, den er für den Akt bereitzustellen hat, welche Geschenke und andere Vorteile er der Frau andient, dass sie ihn empfange. Solche Gesten werden von ihm auch durchaus erwartet, um die Bereitschaft der Frau zu erkaufen, ihn bei sich aufzunehmen. Die Frau andererseits misst das, was der Mann ihr bietet, nicht allein –und wahrscheinlich auch nicht wesentlich- an der hierbei erwarteten Lust und der Größe des Orgasmus (es sei denn, man berücksichtigt, dass auch er durch erwartete künftige Vorteile unmittelbar beeinflusst wird), sondern daran, was ihr dies für die Zukunft bringt, die Zeit der möglichen Schwangerschaft und des Aufwachsens eines Kindes. Das Geben und Nehmen stehen hier in einem schon natürlich vorgegebenen Zusammenhang, denn es entspricht den jeweils vorherrschenden sexuellen Grundmustern.

Zulagen zur weiblichen Lust
Somit kann man vereinfachend vom einem Tausch von Lust gegen Sicherheit für die Folgen der Lust sprechen, was ja durchaus auch einem überkommenen geschlechtsspezifischem Stereotyp entsprechen würde – wäre da nicht die durch den in beiden Geschlechtern erfahrenen Seher Teiresias verbriefte Aussage von dem neunmal stärkeren sexuellen Erlebnis der Frauen. Könnte man die sexuelle Ausgangssituation erschöpfend durch kaufmännisch nüchterne Nutzen-Kosten-Relationen beschreiben, dann macht die besonders gesteigerte weibliche Lust auch entwicklungsgeschichtlich wenig Sinn – wie ja in der Tat von einigen Entwicklungsbiologen vertreten wird. Wie im normalen Geschäftsleben aber liegt auch hier die Erklärung recht nahe. Ein Geschäftsmann, der bei der Einschätzung seiner Kosten-Nutzen-Relationen weit oder auch ziemlich häufig danebengegriffen hat, wird in Zukunft immer weniger geneigt sein, die als unvorteilhaft empfundene Investitionsentscheidung zu wiederholen. Wer also daran interessiert ist, dass solche Investitionen dennoch wiederholt getätigt werden, muss zusätzliche, besondere Anreize schaffen. Die Natur aber, als Angelpunkt der Evolution, hat wegen der Erhaltung der Art ein ganz entscheidendes Interesse daran, dass sich die Frauen trotz ihrer jeweils übernommenen Folgelasten zur Wiederholung solch riskanter Geschäfte bereitfinden. Ganz anders als bei den Männern, die, eine geeignet Frau erst einmal im Auge, sogleich von dem Wunsch, mit ihr zu verkehren, beherrscht werden, werden bei der Frau erst einmal ihre sich auf einen Mann beziehende sexuelle Aktivitäten durch den Blick in die Zukunft gebremst, wenn sie an ihre Schwangerschaft und die folgenden Jahre denkt. Den Sekunden der Lust des Mannes stehen Jahre der Last der Frau gegenüber, so dass die Natur bei den Frauen noch Entscheidendes zulegen muss, um sie immer wieder zum Mitmachen zu bewegen. Dies bewirkte sie mit der Vervielfachung des weiblichen sexuellen Erlebnisses gegenüber dem des Mannes. Denn bei einer Frau gilt es weitaus mehr zu überwinden, damit sie bei der Erhaltung der Art bereitwillig stets von Neuem mitmacht. Nun greift hier auch eine Vielzahl von gesellschaftlichen rational wirksamen Maßgaben ein, die durchaus an den Folgen sexuellen Genusses anknüpfen, wie einerseits die Belastung auch des Mannes mit den Folgen (in Form von Alimenten) und andererseits die Bereitstellung von Vergünstigungen für die Frau (in Form einer Absicherung ihres Lebenstandards und des ihrer Kinder). Die atavistische biologische Ausgangssituation dürfte hiervon aber dennoch weitgehend unberührt sein und ihr Pendant im unbedingten gegenwartsbezogenen Geschlechtstrieb des Mannes einerseits und einer zukunftsbezogen gehemmten Geschlechtslust der Frau andererseits finden- eine Situation, die durch eine Anhebung der weiblichen Lust von Natur aus nur kompensiert werden konnte. Aus der Sicht der Natur, die sich über lange Zeit in der menschlichen Vergangenheit nicht auf ein möglicherweise motivierendes angestrebtes Familienleben beziehen oder verlassen konnte (mangels deren Existenz angesichts der Unkenntnis der Vaterschaft), ging es allein um den Austausch sexueller Lust, deren Intensität für die Vermehrung und für die Erhaltung der Art reichte. Mit der zunehmenden Einsicht des Menschen in die biologisch obwaltenden Zusammenhänge gewannen sie auch Erkenntnis von den unterschiedlichen Lebensumständen von Mann und Frau und deren unterschiedlichen gegenwarts- und zukunftsbezogenen Sichtweisen, die Eingang in das bewusst werdende Grundmuster sexuellen Verhaltens fanden. Seither hat in jeder Gesellschaft die Vereinigung von Mann und Frau für den Mann einen Preis an Gesten und Geschenken, an Sicherheit und künftigen Leistungen – ein Preis, der nach Qualität und Quantität bereits beim Austausch der Lust mitbestimmt.

Die Verdammung des Hurenlohns
Dass Frauen für die Befriedigung männlicher Lust fordern, folgt somit bereits einem natürlichen Prinzip, allein um mögliche Folgelasten zu teilen. Die Forderung ist dabei schon Teil der weiblichen Sexualität, sie zu erfüllen ebenso Teil der männlichen Lust. Der Austausch liegt in der Natur begründet. Das Besondere vor allem an unserer abendländischen Moral, die aber durchaus von einer Vielzahl anderer Gesellschaftsordnungen und Kulturkreisen geteilt wird, ist aber die teilweise konträre Bewertung dieses Umstandes. Diese findet ihren unmittelbaren Grund in der patriarchalen Ausgestaltung der Lebensverhältnisse. Das hängt mit der männlichen Kontrolle über die als explosiv empfundene weibliche Sexualmacht zusammen. Soweit sich die Frauen dem patriarchalen System der Beherrschung ihrer Sexualität unterwarfen, galten ihre Gegenforderungen als tugendhaft. Die Frauen unterwarfen sich dem patriarchalen System, indem sie ihre eigentliche gesellschaftliche Bedeutung auf ihre Funktion, dem sie beherrschenden Mann zur Vermehrung und Aufzucht der Nachkommen zu dienen, beschränkten. Dieser Treue gegenüber war der Mann verpflichtet, für den seinem Stand entsprechenden Unterhalt seiner Frau zeitlebends zu sorgen. Die Lebensgarantie galt aber nur, solange die Frau die Bedingungen des herrschenden Patriarchats als gute Frau und Mutter punktgenau erfüllte. Es war nicht ihre Person, sondern ihre Funktion, die ihr Sicherheit gab. In dieser Form war der Vulkan weiblicher Sexualität gebannt, die Frau ihrer Macht ledig. Unterwarf eine Frau sich indessen nicht dem patriarchalen Regime, beschränkte sich nicht auf die ihr dort zugedachte (seit der Antike unveränderte) Funktion, sondern machte gar ein eigenes gesellschaftliches Lebensrecht ähnlich desjenigen des Mannes geltend, konnte sie nur als geschlechtsloses Monster leben, wollte sie ihre Wertschätzung nicht verlieren. In dieser Selbstbeschränkung jedenfalls lag ebenfalls ein Verzicht auf ihre weibliche Sexualmacht. Verzichtete sie indessen nicht auf ihre Sexualmacht mit allen Finessen weiblicher Attraktion, unterlag sie einem totalen gesellschaftlichen Verdikt als Prostituierte. Dieses Urteil entzog ihr jegliche bürgerliche Stellung und machte sie weitgehend rechtslos. Ihre Sexualmacht blieb indessen ungezügelt und sie konnte mit ihr unter den Männern, die sie hörig machte, wüten. Durch das gesellschaftliche Verdikt und dem Entzug einer bürgerlichen Existenz waren ihr indessen die Frauen ansonsten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen, gänzlich entzogen, so dass sie -im Ergebnis zwar nicht anders als ihr bürgerlichen Artgenossinnen- auf die Ergebnisse der Verwertung ihrer Sexualmacht angewiesen waren. Nur konsequent war es dann, dass die patriarchale Ethik und Moral und auch das Recht diesen Lohn mit dem allergrößten Verdikt belegte, kaum einen Verdienst geringer achteten als den Hurenlohn. In der Verdammung des Hurenlohns gipfelte die Entrechtung der Frau. Es gab den guten Lohn für die gute Frau und Mutter und den Schandlohn für die sexuelle Verwertung außerhalb der patriarchalen Bahnen. Kaum ein Mann, der es sich leisten konnte, nahm zwar nicht solche Dienste in Anspruch, allein um seiner eigenen schwer beherrschbaren Sexualität willen, indessen erfasste das Unwerturteil nicht die männliche Seite des sittenwidrigen Austauschs.

Kleine Nutten
Vieles, was hier geschildert wurde, scheint mittlerweile, Geschichte zu sein, es scheint indessen nur und kehrt in vielerlei Gestalt zurück, allein weil die Meisten die wirklichen Ursachen dieser Schwierigkeiten nicht erkennen. Denn was gesellschaftlich ethisch und moralisch zu beanstanden wäre, ist nicht der Austausch von Lust und Liebe auch gegen andere Vorteile – das entspricht der Natur und findet sich in vielen hochbeleumundeten gesellschaftlichen Einrichtungen wieder. Das ethisch und moralisch Problematische liegt in der Differenzierung und Einschätzung des Austauschs. Hier tugendhafte Belohnung für sexuell relevante Dienste, dort größte Schande für die Gegenleistung, ein Differenzierung die allein der Erhaltung patriarchaler Macht dient. Es ist der Weg, wie sich die Männer vor der weiblichen Sexualmacht schützen und sie, soweit sie ihrer bedürfen, handhabbar machen. In dem Anspruch des Systems, der hinter dieser Differenzierung steht, liegt das Verwerfliche. Sich für sexuelle Dienst Vorteile versprechen und gewähren zu lassen, ist nicht weniger selbstverständlich als jeglicher anderer Austausch. Die Natur ist voll davon. Das sittliche Gebot indessen, dieses Natürliche zu unterbinden, hat nur die Sicherung der Vorherrschaft der Männer im Sinne ihres jahrtausendealten Patriarchats zum Ziel. Die Verwerflichkeit der Wenigen auf dem freien Markt der Liebe sichert das System der Unterwerfung der Frauen im Patriarchat. Keine ehrbare Frau würde es wagen, ihre gesellschaftliche Selbstbeschränkung zu einem Werkzeug zur männlichen Vermehrung anzuzweifeln – je tiefer die anderen, die es dennoch wagten, fallen. Träfe die Bewertung zu, die man dem Begriff der Nutte oder des Nuttenhaften beilegt, weil für die Gewährung von Lust und Liebe über die Befriedigung eigener Lust und Liebe hinausgehende Vorteile gefordert werden, dann träfe dieser Vorwurf die gesamte weibliche Sexualität, wie wir oben gesehen haben. Denn in der Art der weiblichen Sexualität liegt das Zukunftweisende bereits naturgemäß begründet. Kleine Nutten wären sie daher alle.

Allgöttliche weibliche Sexual- und Gebärmacht und monotheistische patriarchale Domestizierung
Das Problem der überschießenden weiblichen Sexualmacht ist indessen mit dieser Erkenntnis allein nicht gelöst. Niemand will in der Gesellschaft mit seinen eigenen Bedürfnissen einem anderen vollends ausgeliefert sein. Das Patriarchat hat eine Lösung dieses Problems darin gefunden, dass man die weibliche Sexualmacht über die Männer durch die Entrechtung der Frauen eingeschränkt hat. Man hat sich ihrer Körper physisch bemächtigt, indem man sie in Häusern wegschloss, aus den allgemeinen Verkehr zog, sie bis zur Unkenntlichmachung eines jegliches weiblichen Merkmals verkleidete, ihren sozialen Umgang beschränkte, sie von den meisten gesellschaftlichen Entwicklungen ausschloss, ihnen die Bildung versagte und sie mit einem Weltbild indoktrinierte, dass aus ihnen männliche Geschlechtsdienerinnen machte, beschränkt auf ihre männlich kontrollierte Gebärfunktion. Diese Rechtsbeschneidung wurde nicht anders begründet, als Aristoteles vor über zweitausend Jahren die Sklaveneigenschaft bestimmter Menschen begründete: sie seien von Natur aus und nach ihrer Zweckbestimmung Sklavenwesen. Nicht anders waren Frauen von Natur aus und dem gesellschaftlichen Zweck nach dazu bestimmt, dem Mann und seinen Bedürfnissen zu dienen. Als das Patriarchat die Macht ergriff, schrieben es die ersten Anhänger sogleich auch in ihre ersten Bücher, die zumeist mit einem männlichen Eingott endeten, das Weib sei dem Mann untertan, was bedeutet, es diene allein seinen Bedürfnissen und es findet seine Rechtfertigung und Würde allein durch ihn. Der Siegeszug des Patriarchats und damit auch des männlichen Monotheismus begann damit, dass sich die Schrift durchsetzte und damit die Abstraktionsebenen vervielfachten und ihren Anwendungsbereich ausdehnten, nach Ort und Zeit und Intensität. Dem konnten die bestehenden oftmals noch stark naturverbundenen Ordnungen nicht widerstehen. Bis dann waren es matriliniear organisierte Gruppen, die heute manche auch im Gegensatz zum Patriarchat matriarchal nennen, obgleich es eine Ordnung, die die Geschlechtsgruppen derart unterschiedlich behandelt haben wie im Patriarchat, sicherlich zuvor niemals gegeben hat – die patriarchale Entartung war selbst ein Produkt fehlgeleiteter Abstraktion. In den vor dem Aufbruch in die Abstraktion einer schriftlich verfassten Welt naturnahen Ordnungen wie matrilineare oder auch matriarchale Organisation war die weibliche Sexualmacht Teil der göttlichen Macht der Mutter Erde, der Großen Mutter oder Urmutter. Die Sexualmacht selbst war heilig und sich ihr zu unterwerfen, war Gottesdienst. Es war nicht der Willen einzelner Menschen, wie im Patriarchat, wo das Weib dem Willen eines jeden Mannes, dem es angehörte, unteran war, sondern es war Ausdruck der die Erde durchflutenden und alles Leben begründen göttlichen Macht. Sich ihr zu unterwerfen, galt als Gebet, als Verehrung der Großen Göttin oder auch der Götter. So sind auf uns auch noch einige Erinnerungen in unseren erst seit dem 1. vorchristlichen Jahrtausend beginnenden schriftlichen Aufzeichnungen gekommen, in Form von Priesterinnen, die mit ihrem Leib in den Tempeln ihren Dienst versahen. Dass die patriarchale Kultur sie als Tempelprostituierte diffamierte, ist mehr als folgerichtig, loderte doch aus ihrem Wirken in das neue System ein Atem, der die den Frauen auferlegten Fesseln hätte zerbersten lassen, wenn sie die Heiligkeit dieser Priesterinnen hätten erkennen können. In unserer Kultur, so dürfte jedenfalls anzunehmen sein, stand am Anfang die weibliche Sexualmacht und damit auch die weibliche Gebärmacht als Ausdruck der göttlichen Lebenskraft. Der Macht eines Gottes aber, zudem von der Natur mit so großem Wohlbefinden verbunden, unterwirft sich der Mensch gerne, er gewinnt dabei an Würde und Freiheit und verliert sie nicht. Somit handelt es sich eigentlich auch um keine eigentliche Macht, denn deren Ausübung erleidet ein Mensch nur dann, wenn sie durch andere Menschen erfolgt. Daher kann man feststellen, dass die weibliche Sexualmacht zu dieser Zeit durch ihre Vergöttlichung für den Menschen erlebbar und damit aber auch in Bezug auf sein profanes Leben beherrschbar war. Damit war es vorbei, als die Männer lesen lernten und ihre Macht erkannten. Eine spirituelle Beherrschung der weiblichen Sexualmacht, als welche ein Gottesdienst angesehen werden kann, schied mit der Abschaffung der Macht der Göttinnen und der schließlichen Übernahme aller Macht durch einen männlichen einzigen Gott aus. Somit konnte nur mit Gewalt und Entrechtung die weibliche Sexual- und Gebärmacht ausgeschaltet werden. Es begann das System der patriarchalen weiblichen Entrechtung, in dem die Frauen auf die ihnen zugewiesene Gebärfunktion reduziert wurden. Man kann somit dialektisch zwei Positionen festmachten, die beide die weibliche Sexualmacht beherrschbar machten: die Vorherrschaft der weiblichen Sexual- und Gebärmacht als Teil der Allgöttlichkeit, die Zurückdrängung dieser Macht durch ihre patriarchale Funktionalisierung sowie die Beschränkung der Frau auf diese Funktion.

Die Rückkehr von Eros, dem Herrlichsten aller Götter
Wenn auch viele Frauen, die ihre Geschichte der letzten Jahrtausende begreifen, meinen, das Patriarchat mit einem Matriarchat beantworten zu können, kann schon nach der üblichen geistesgeschichtlichen Entwicklung, wie sie uns Hegel lehrte, der nächste Schritt nur in einer Synthese liegen. Das liegt auch nahe. Denn Vieles, was heute unsere Welt darstellt, wäre ohne die patriarchale Vergangenheit undenkbar. Versucht man die Mechanismen des patriarchalen Systems zu verstehen, wie ihre Tricks, das Natürliche zu diffamieren und das Unnatürliche und Absurde zu normalisieren, dann bleibt uns kein anderer Weg, als uns wieder der weiblichen Sexual- und Gebärmacht zu stellen. Seit dem Abbau patriarchaler Strukturen vor allem in der abendländisch geprägten Welt können wir ganz offen feststellen, wie die weibliche Sexualmacht das Leben bestimmt, man studiere die Werbung, die neuen Medien, das kleinkulturelle Verhalten, etwa in den Urlaubsorten und Vieles mehr. Diese Erosion droht unsere gesellschaftlichen Strukturen aufzulösen. Wenn das Bild von dem weiblichen Sexualreaktor, dessen Kraft die Männer willenlos zu machen geeignet ist, stimmen sollte, dann dürfte man auch die Gefahr für das normale zivile Leben erkennen. Je mehr die patriarchalen Strukturen ihre Macht verlieren, umso mehr stehen wir der weiblichen Sexualmacht ungeschützt gegenüber. Es drängt sich daher auf: die Synthese kann nur in der Zusammenführung des ehemals allgöttlichen und des patriarchalen Ansatz bestehen. Die Vorteile der sakralen Beherrschung dieser Macht ist mit den Tugenden ihrer patriarchalen Beherrschung zu vereinen. Wir müssen daher einerseits zurückkehren zur allgöttlichen Verehrung des Sexuellen und der Gebärkraft der Natur, müssen Räume der freien Verehrung des allgöttlichen Wirkens, wie es gerade in der Lust und Liebe und auch in der Fortpflanzung zum Ausdruck kommt, finden oder schaffen, Räume, wo sich das Sexuelle im Sakralen und Göttlichen allein findet und auch erschöpft. Wir müssen Eros wiedergebären. Auf der anderen Seite müssen wir die Tugenden der Verlässlichkeit und Treue wieder zurückgewinnen und wieder zur Grundlage unseres zivilen Lebens machen. Denn alles in der Gesellschaft existiert nur dadurch, dass unser Verhalten vorhersehbar ist und ein jeder sich darauf verlassen kann, das jeder das, was er zu bestimmter Zeit und an bestimmtem Ort zu tun versprochen hat, auch tut. Das gilt zwischen allen Menschen, vor allem aber zwischen den Partnern. Weisen wir somit das Unbeherrschbare, Grundlose, Rauschafte, alles was wir als Sexuelles, als freie Lust und Liebe erleben dem Gottesdienst zu, so wie es über Jahrzehnttausende die Menschen machten, dann sind es allein die Götter, denen wir dienen. Sind wir aber wieder zu Hause, so kehren wir zurück zum Standard der Verlässlichkeit, wie er uns vor allem während der letzten zweitausend Jahre gelehrt wurde. Das ist die Synthese, mit der Sexualmacht umzugehen. Das alles aber findet ihr im Heiligtum der Sieben Göttinnen, in dem die Rückkehr der seinerzeit vom Patriarchat vertriebenen Göttinnen mit ihren Priesterinnen und Priestern vorbereitet wird, in dem aber andererseits die Treue zwischen den Menschen, ihre Verlässlichkeit nicht weniger gepriesen wird.

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