Montag, 26. April 2010

Alles kleine Nutten

Weibliche Sexualität, Ethik und Natur und die Rückkehr des Gottes Eros

Die These lautet, dass weibliche Sexualität tendenziell darauf gerichtet ist, Vorteile für das eigene Leben zu erlangen, während männliche Sexualität sich –ebenso nur tendenziell- im Sexualakt und damit in der Unterbringung der Spermien erschöpft. Für die Männer war es seit je notwendig, sich der weiblichen Sexualmacht nicht bedingungslos unterwerfen zu müssen.

Beschränkung weiblicher Sexualmacht

Den Verführungskünsten der Frauen ausgeliefert zu sein, fürchteten die Männer, ungeachtet ihrer eigenen Lust, schon seit je. Die Frauen hatten es stets in der Hand, über den Willen des Mannes zu disponieren, wenn sie ihre weibliche geschlechtliche Macht einzusetzen bereit waren. Diese Macht besteht darin, den Willen des Mannes allein auf das ihm von der Frau bedeutete sexuelle Ziel auszurichten, dem sich alle seine anderen Wünsche, aber auch Entscheidungen unterordnen, bzw. mehr noch einordnen, alles von dem in ihm erweckten lustvollen Begehren gesteuert, sich mit der Frau zu vereinen. Den Wünschen der Frau nachzugeben, wird zum Teil der eigenen Lust, lustvoll unterwirft der Mann sich ihren Launen – wenn er dadurch nur zum Ziel gelangt. Es ist die Macht des Eros, die schon Hesiod damit pries, alle Vernunft, ansonsten Merkmal männlicher Entscheidungskraft, wie jeden wohlerwogenen Ratschluss außer Kraft zu setzen. Das sexuelle Ziel, mit dem die Frau den Mann lockt, ist selbst ein gültiger Grund, der keiner Begründung mehr bedarf. Als biologische Grundtatsache ist es der Vernunft vorgegeben, das heißt der Mann nutzt durchaus seine Vernunft und intellektuelle Begabung, um zu diesem Ziel zu gelangen, als Ziel selbst aber bedarf es keiner weiteren Begründung und versagt sich somit auch der Ableitung von anderen Gründen (oder einer Überprüfung an ihnen). Ihm entgegenstehende Gründe oder auch Begründungen schlägt es mühelos aus dem Ring. Frauen, die geschickt ihr sexuelles Potential einzusetzen verstehen, erwächst hierdurch eine weitreichende Macht gegenüber den Männern. Die griechische Mythologie ist getragen von dem Misstrauen dieser weiblichen Gewalt gegenüber. Die Amazonen konnten nur in letzter Not niedergerungen werden. Das war allein dem Eingreifen des Götterlieblings Achilles zu verdanken, der die Königin der Amazonen Penthesilea in einem auf Leben und Tod geführten Kampf schließlich erstach, nicht jedoch ohne dennoch ihrer Macht zu erliegen. Denn als Achilles Penthesilea den Todesstoß schon versetzt hatte, traf sein Blick den Blick der sterbenden Königin und dies allein reichte, Achilles fürderhin in ihren Bann zu ziehen und in heißer Liebe für sein Opfer zu entbrennen. Wer der Verführung entgehen will, der wende schon seinen Blick von der Schönen ab! Den Griechen galten die Frauen als so gefährlich, dass sie in der frühen Organisation ihrer Stadtstaaten darauf achteten, dass sie sich nimmer mehr zusammenrotten konnten. Sie wurden schlichtweg in ihren Häusern weggeschlossen und in ihrem öffentlichen Wirken beschränkt auf eine Teilhabe an besonderen Götterkulten (Kirche), sonst ausschließlich dem Haus und Hof zugewandt (Kinder und Küche). Die Griechen standen mit ihrer Furcht aber keineswegs allein. Zur gleichen Zeit wurden überall auch in der damaligen Welt die Frauen verhüllt und aus der Öffentlichkeit verdrängt. War die Gefahr, die von den Frauen für die Männer ausging, doch allbekannt. Der große blinde Seher der Antike Teiresias, der als Priester von Zeus sowohl das männliche und als auch das weibliche Geschlecht am eigenen Leib erfahren konnte, wurde– damals noch sehend- von dem Götterpaar Zeus und Hera zur Entscheidung ihres Streites gerufen, ob nun der Mann beim Geschlechtsakt das größere sexuelle Erlebnis habe (so Hera) oder aber das Weib (so Zeus). Teiresias überlegte nicht lange, bevor er verkündete „das Weib“ und sogleich anfügte: und zwar neun Mal mehr als der Mann! Daraufhin wurde er von Hera mit seiner Blindheit geschlagen, weil er das Geheimnis der Frauen verraten hatte. Die unbezähmbare Empfänglichkeit für weibliche geschlechtliche Avancen kannte jeder Mann aus eigener Erfahrung, ließ doch schon sie ihn alles tun und alles andere vergessen, allein um das entbrannte eigene sexuelle Verlangen zu erfüllen. Und von dieser am eigenen männlichen Leib erlebten sexuellen Kraft besaßen die Frauen neunmal mehr! Damit glich ein jeder weiblicher Leib einem hochenergetischen Sexual-Reaktor, dessen Kräfte, erst einmal freigesetzt, wie ein die Welt umschließender Magnet sich des Willens der betroffenen Männer bemächtigen konnte, indem er ihm die Richtung zum weiblichen Schoß vorgab, einem Ziel, vor dem alles andere verblasste. Die Konsequenzen dieser Gefahr sind überall erkennbar, wie bei einem Reaktor, galt es die Kraft zu zügeln, um sich ihrer bedienen zu können. Hierzu schufen Kultur und Moral ein ganzes Instrumentarium mit dem Ziel, die sexuelle Macht der Frauen zu beschränken. Strenge Bekleidungsvorschriften entzogen ihre Körperteile, mit denen sie die Männer betören konnten, deren Blicken und mit rigiden Verhaltensvorschriften beschränkte man einen jeden möglichen Kontakt, der die Männer in den weiblichen Bann hätte ziehen können. Man hielt die Frauen fern von der neuen Macht der intellektuellen Güter, die infolge der sich verbreitenden Schriftlichkeit geschaffen und durch Bildung vermittelt wurden. Die gesellschaftlich bedeutsamen Aufgaben der Frauen beschränkte man auf ihre unvermeidbare und notwendige Teilhabe, wie sich das Zeugen von Kindern gefallen zu lassen und sich anschließend mit deren Aufzucht zu befassen. Da die männliche Lust jedoch hierüber weit hinausreichte, ließ man besondere Frauen zu einem von all diesen Beschränkungen freien gemeinsamen Leben mit den Männern zu, wo sie ihre lockende Weiblichkeit nicht verbergen mussten, in ihrem Kontakten zu Männern nicht auf einen einzigen beschränkt wurden, und denen Bildung nicht versagt wurde – die aber darum vom Leben der anderen verhüllten und weggeschlossenen Frauen ausgeschlossen waren. Ihre Macht wurde durch ein allgemein verbindliches Unwerturteil von vorneherein beschnitten, Prostituierte und auch Nutten standen außerhalb der Gesellschaft, so notwendig sie auch für diese sein mochten. So konnte man sich ihrer an sich weiterhin ungezügelten sexuellen Macht bestens erwehren, spätestens wenn jeweils die Lust verraucht war. Damit ist die Stellung der Frau in der Gesellschaft und Kultur der letzten zweieinhalb Jahrtausende umschrieben.

Das Patriarchat, die Bändigung weiblicher Urkraft
Der Umgang mit der Sexualität in den Gesellschaften unserer Zeit ist weitgehend von diesem Zustand noch bestimmt, in der einen mehr, in der anderen weniger. Obgleich dem Mann vorgegeben wird, das es seine sexuellen Gelüste seien, die das Geschehen bestimmen, ist es die von den Frauen ausgehende Sexualmacht, die alles regiert - soweit ihre Ausübung in den Formen unserer Gesellschaften möglich ist , wenn ihre wie in den Betonmauern eines Reaktor gefangene Kraft dennoch hervorbricht. Dort brodelt es nach wie vor unvermindert, und jeder Mann, erst einmal von der durch die Risse der immer brüchiger werdenden Reaktoren herausquellenden Macht berührt, ist gefangen und sein Willen gefesselt, er giert nach Lust und Liebe. Er ist einem Sturm ausgesetzt, der seine allgemeinen Verstandeskräfte lähmt und ebenso die allgemeinen Willenskräfte, er will nur noch das Eine, das die Frau ihm bietet. Der Verstand der Frau agiert dabei von Natur aus wesentlich überlegter. Denn alles ist von Natur aus auf die Vermehrung gerichtet, ein Spiel, an dem der Mann nur bis zur Ejakulation beteiligt ist, ansonsten aber von der Frau dominiert ist, über die Monate der Schwangerschaft und die Jahre des Aufwachsens der erzeugten Kinder und darüber hinaus. Die Vaterschaft, wie sie heute noch den Begriffen einer durch das Aufwachsen der Kinder definierten Familie zugrundeliegt, ist weitaus neuerer Natur, als vielfach angenommen. Über viele Jahrzehnttausende wurden die Kinder in der Gruppe ihrer Mütter aufgezogen, die allein durch die Geburten definiert und neben diesen Müttern aus Schwestern und Brüdern und den Schwesterkindern gebildet wurde. Außerhalb der Gruppe stehende Männer traten vorübergehend nur durch den eigentlichen Geschlechtsakt hinzu oder über ihre Gefühle an eine bestimmte Frau gebunden zumeist nur eine Zeit lang ein. Von Vaterschaft hatte niemand eine Ahnung, vielmehr obwalteten die Natur und die Götter, die oft eine Göttin war. In langer Vorläuferschaft der Vaterschaft beschränkte sich die Aufgabe des Mannes allenfalls darauf, den weiblichen Schoß zu öffnen, damit die wieder zu gebärende Seele dort eintreten konnte – eine Vorstellung selbst erst neueren vorgeschichtlichen Datums. Die Gefühle der Menschen, die wir mit Lust und Liebe umschreiben, waren indes vorgegeben und haben seit je deren Verhalten regiert. Die Bedeutung der Lust und Liebe wurde vermutlich im letzten Jahrzehnttausend immer klarer und damit auch die Sexual- und Gebärmacht der Frauen. Als die Männer ihren Beitrag hierzu vollends erkannten, begann der Abstieg der Frau und ihre Eingliederung in Systeme, die ihre Sexualmacht beschränkten, ihre Gebärmacht in eine Zeugungsmacht der Männer wandelten und den Leib der Frauen auch physisch der Disposition der Männer unterwarfen. Dazu mussten einerseits körperlich jeder heterosexueller Drittkontakt ausgeschlossen werden, andererseits der unbeschränkte sexuelle Zugang des verfügungsberechtigten Mannes gewährleistet sein – auf den Willen der Frau kam es hierbei nicht an. Zeugen konnte man auch gegen ihren Willen, zudem band die Frucht die Frau auf Jahre an den Mann. Damit waren die Grundzüge der patriarchalen Ordnung geschaffen. Sie beseitigten aber nicht die sexuelle Grundstruktur, denn tatsächlich konnte sie den Frauen weder ihre Gebär- noch ihre Sexualmacht nehmen, allein ihre Auswirkungen auf die Männer wurden reguliert.

Der Preis von Lust und Liebe

Die Grundstruktur indessen blieb unverändert, auch seitdem sich die Frauen der neuen patriarchalen Ordnung unterwerfen mussten. Im Gegenteil gewann diese Struktur noch dadurch an Bedeutung, dass sich die Möglichkeiten der Frauen zur Entfaltung nunmehr nahezu ausschließlich auf ihre sexuelle Funktion und die sich hieraus ergebenden Aufgaben beschränkten. Wir sprechen hier nicht von den Wenigen, die Kraft der Liebe einzelner Männer (zumeist der Väter, manchmal auch der eigenen Männer) sich weit über die übliche Bildung und Ausbildung hinaus entwickeln konnten und durften, sondern von der Masse und dem Durchschnitt, der den Typus bestimmte. Die Grundstruktur bestand weiterhin darin, dass die Frau ihren Leib zu den Zwecken des Mannes (ursprünglich nur der Lust und später auch der Vermehrung und schließlich der Vaterschaft) zur Verfügung zu stellen hatte und der Mann hierfür Pflichten der Versorgung übernahm. Das war aber nunmehr ein Geschäft, nachdem es in seinen Auswirkungen von den Geschlechtern erkannt worden war, von für die Frau weitaus entscheidender Bedeutung als für den Mann. Denn der Mann, konnte er es sich wirtschaftlich leisten, vermochte überall seinen Nachwuchs sicherzustellen, die Frau indessen war mit einem einzigen Akt für viele Jahre gebunden. Nichts lag näher, als dass die Frau bei diesem einzigen Akt weitaus genauer hinsah und mit ihm auch weitaus mehr Überlegungen für die Zukunft verband als der Mann – und dies schon von Natur aus. Darin gründet auch, dass schon beim Entstehen der Gefühle von Lust, vor allem aber von Liebe für Frauen ganz andere Merkmale als für Männer entscheidend sind. Merkmale, die genetische und später dann auch soziale Zuverlässigkeit signalisieren, beeinflussen die genannten Gefühle bei Frauen weitaus entscheidender als die der Männer, deren sexuelle Reaktionen sich regelmäßig auf rein biologische Muster beschränken. Angesichts dieser Unterschiede liegt somit nahe, dass Frauen die Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit geschlechtlicher Aktivitäten regelmäßig mehr bedenken als Männer, deren geschlechtliches Verhalten typischerweise gerade eher durch einen Verzicht auf weitsichtigere Überlegungen gekennzeichnet ist. Der Mann denkt weitaus intensiver darüber danach, wie er eine Frau zum Beischlaf bringen kann, als über dessen mögliche Folge. Sorgsam ermittelt er den Preis, den er für den Akt bereitzustellen hat, welche Geschenke und andere Vorteile er der Frau andient, dass sie ihn empfange. Solche Gesten werden von ihm auch durchaus erwartet, um die Bereitschaft der Frau zu erkaufen, ihn bei sich aufzunehmen. Die Frau andererseits misst das, was der Mann ihr bietet, nicht allein –und wahrscheinlich auch nicht wesentlich- an der hierbei erwarteten Lust und der Größe des Orgasmus (es sei denn, man berücksichtigt, dass auch er durch erwartete künftige Vorteile unmittelbar beeinflusst wird), sondern daran, was ihr dies für die Zukunft bringt, die Zeit der möglichen Schwangerschaft und des Aufwachsens eines Kindes. Das Geben und Nehmen stehen hier in einem schon natürlich vorgegebenen Zusammenhang, denn es entspricht den jeweils vorherrschenden sexuellen Grundmustern.

Zulagen zur weiblichen Lust
Somit kann man vereinfachend vom einem Tausch von Lust gegen Sicherheit für die Folgen der Lust sprechen, was ja durchaus auch einem überkommenen geschlechtsspezifischem Stereotyp entsprechen würde – wäre da nicht die durch den in beiden Geschlechtern erfahrenen Seher Teiresias verbriefte Aussage von dem neunmal stärkeren sexuellen Erlebnis der Frauen. Könnte man die sexuelle Ausgangssituation erschöpfend durch kaufmännisch nüchterne Nutzen-Kosten-Relationen beschreiben, dann macht die besonders gesteigerte weibliche Lust auch entwicklungsgeschichtlich wenig Sinn – wie ja in der Tat von einigen Entwicklungsbiologen vertreten wird. Wie im normalen Geschäftsleben aber liegt auch hier die Erklärung recht nahe. Ein Geschäftsmann, der bei der Einschätzung seiner Kosten-Nutzen-Relationen weit oder auch ziemlich häufig danebengegriffen hat, wird in Zukunft immer weniger geneigt sein, die als unvorteilhaft empfundene Investitionsentscheidung zu wiederholen. Wer also daran interessiert ist, dass solche Investitionen dennoch wiederholt getätigt werden, muss zusätzliche, besondere Anreize schaffen. Die Natur aber, als Angelpunkt der Evolution, hat wegen der Erhaltung der Art ein ganz entscheidendes Interesse daran, dass sich die Frauen trotz ihrer jeweils übernommenen Folgelasten zur Wiederholung solch riskanter Geschäfte bereitfinden. Ganz anders als bei den Männern, die, eine geeignet Frau erst einmal im Auge, sogleich von dem Wunsch, mit ihr zu verkehren, beherrscht werden, werden bei der Frau erst einmal ihre sich auf einen Mann beziehende sexuelle Aktivitäten durch den Blick in die Zukunft gebremst, wenn sie an ihre Schwangerschaft und die folgenden Jahre denkt. Den Sekunden der Lust des Mannes stehen Jahre der Last der Frau gegenüber, so dass die Natur bei den Frauen noch Entscheidendes zulegen muss, um sie immer wieder zum Mitmachen zu bewegen. Dies bewirkte sie mit der Vervielfachung des weiblichen sexuellen Erlebnisses gegenüber dem des Mannes. Denn bei einer Frau gilt es weitaus mehr zu überwinden, damit sie bei der Erhaltung der Art bereitwillig stets von Neuem mitmacht. Nun greift hier auch eine Vielzahl von gesellschaftlichen rational wirksamen Maßgaben ein, die durchaus an den Folgen sexuellen Genusses anknüpfen, wie einerseits die Belastung auch des Mannes mit den Folgen (in Form von Alimenten) und andererseits die Bereitstellung von Vergünstigungen für die Frau (in Form einer Absicherung ihres Lebenstandards und des ihrer Kinder). Die atavistische biologische Ausgangssituation dürfte hiervon aber dennoch weitgehend unberührt sein und ihr Pendant im unbedingten gegenwartsbezogenen Geschlechtstrieb des Mannes einerseits und einer zukunftsbezogen gehemmten Geschlechtslust der Frau andererseits finden- eine Situation, die durch eine Anhebung der weiblichen Lust von Natur aus nur kompensiert werden konnte. Aus der Sicht der Natur, die sich über lange Zeit in der menschlichen Vergangenheit nicht auf ein möglicherweise motivierendes angestrebtes Familienleben beziehen oder verlassen konnte (mangels deren Existenz angesichts der Unkenntnis der Vaterschaft), ging es allein um den Austausch sexueller Lust, deren Intensität für die Vermehrung und für die Erhaltung der Art reichte. Mit der zunehmenden Einsicht des Menschen in die biologisch obwaltenden Zusammenhänge gewannen sie auch Erkenntnis von den unterschiedlichen Lebensumständen von Mann und Frau und deren unterschiedlichen gegenwarts- und zukunftsbezogenen Sichtweisen, die Eingang in das bewusst werdende Grundmuster sexuellen Verhaltens fanden. Seither hat in jeder Gesellschaft die Vereinigung von Mann und Frau für den Mann einen Preis an Gesten und Geschenken, an Sicherheit und künftigen Leistungen – ein Preis, der nach Qualität und Quantität bereits beim Austausch der Lust mitbestimmt.

Die Verdammung des Hurenlohns
Dass Frauen für die Befriedigung männlicher Lust fordern, folgt somit bereits einem natürlichen Prinzip, allein um mögliche Folgelasten zu teilen. Die Forderung ist dabei schon Teil der weiblichen Sexualität, sie zu erfüllen ebenso Teil der männlichen Lust. Der Austausch liegt in der Natur begründet. Das Besondere vor allem an unserer abendländischen Moral, die aber durchaus von einer Vielzahl anderer Gesellschaftsordnungen und Kulturkreisen geteilt wird, ist aber die teilweise konträre Bewertung dieses Umstandes. Diese findet ihren unmittelbaren Grund in der patriarchalen Ausgestaltung der Lebensverhältnisse. Das hängt mit der männlichen Kontrolle über die als explosiv empfundene weibliche Sexualmacht zusammen. Soweit sich die Frauen dem patriarchalen System der Beherrschung ihrer Sexualität unterwarfen, galten ihre Gegenforderungen als tugendhaft. Die Frauen unterwarfen sich dem patriarchalen System, indem sie ihre eigentliche gesellschaftliche Bedeutung auf ihre Funktion, dem sie beherrschenden Mann zur Vermehrung und Aufzucht der Nachkommen zu dienen, beschränkten. Dieser Treue gegenüber war der Mann verpflichtet, für den seinem Stand entsprechenden Unterhalt seiner Frau zeitlebends zu sorgen. Die Lebensgarantie galt aber nur, solange die Frau die Bedingungen des herrschenden Patriarchats als gute Frau und Mutter punktgenau erfüllte. Es war nicht ihre Person, sondern ihre Funktion, die ihr Sicherheit gab. In dieser Form war der Vulkan weiblicher Sexualität gebannt, die Frau ihrer Macht ledig. Unterwarf eine Frau sich indessen nicht dem patriarchalen Regime, beschränkte sich nicht auf die ihr dort zugedachte (seit der Antike unveränderte) Funktion, sondern machte gar ein eigenes gesellschaftliches Lebensrecht ähnlich desjenigen des Mannes geltend, konnte sie nur als geschlechtsloses Monster leben, wollte sie ihre Wertschätzung nicht verlieren. In dieser Selbstbeschränkung jedenfalls lag ebenfalls ein Verzicht auf ihre weibliche Sexualmacht. Verzichtete sie indessen nicht auf ihre Sexualmacht mit allen Finessen weiblicher Attraktion, unterlag sie einem totalen gesellschaftlichen Verdikt als Prostituierte. Dieses Urteil entzog ihr jegliche bürgerliche Stellung und machte sie weitgehend rechtslos. Ihre Sexualmacht blieb indessen ungezügelt und sie konnte mit ihr unter den Männern, die sie hörig machte, wüten. Durch das gesellschaftliche Verdikt und dem Entzug einer bürgerlichen Existenz waren ihr indessen die Frauen ansonsten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen, gänzlich entzogen, so dass sie -im Ergebnis zwar nicht anders als ihr bürgerlichen Artgenossinnen- auf die Ergebnisse der Verwertung ihrer Sexualmacht angewiesen waren. Nur konsequent war es dann, dass die patriarchale Ethik und Moral und auch das Recht diesen Lohn mit dem allergrößten Verdikt belegte, kaum einen Verdienst geringer achteten als den Hurenlohn. In der Verdammung des Hurenlohns gipfelte die Entrechtung der Frau. Es gab den guten Lohn für die gute Frau und Mutter und den Schandlohn für die sexuelle Verwertung außerhalb der patriarchalen Bahnen. Kaum ein Mann, der es sich leisten konnte, nahm zwar nicht solche Dienste in Anspruch, allein um seiner eigenen schwer beherrschbaren Sexualität willen, indessen erfasste das Unwerturteil nicht die männliche Seite des sittenwidrigen Austauschs.

Kleine Nutten
Vieles, was hier geschildert wurde, scheint mittlerweile, Geschichte zu sein, es scheint indessen nur und kehrt in vielerlei Gestalt zurück, allein weil die Meisten die wirklichen Ursachen dieser Schwierigkeiten nicht erkennen. Denn was gesellschaftlich ethisch und moralisch zu beanstanden wäre, ist nicht der Austausch von Lust und Liebe auch gegen andere Vorteile – das entspricht der Natur und findet sich in vielen hochbeleumundeten gesellschaftlichen Einrichtungen wieder. Das ethisch und moralisch Problematische liegt in der Differenzierung und Einschätzung des Austauschs. Hier tugendhafte Belohnung für sexuell relevante Dienste, dort größte Schande für die Gegenleistung, ein Differenzierung die allein der Erhaltung patriarchaler Macht dient. Es ist der Weg, wie sich die Männer vor der weiblichen Sexualmacht schützen und sie, soweit sie ihrer bedürfen, handhabbar machen. In dem Anspruch des Systems, der hinter dieser Differenzierung steht, liegt das Verwerfliche. Sich für sexuelle Dienst Vorteile versprechen und gewähren zu lassen, ist nicht weniger selbstverständlich als jeglicher anderer Austausch. Die Natur ist voll davon. Das sittliche Gebot indessen, dieses Natürliche zu unterbinden, hat nur die Sicherung der Vorherrschaft der Männer im Sinne ihres jahrtausendealten Patriarchats zum Ziel. Die Verwerflichkeit der Wenigen auf dem freien Markt der Liebe sichert das System der Unterwerfung der Frauen im Patriarchat. Keine ehrbare Frau würde es wagen, ihre gesellschaftliche Selbstbeschränkung zu einem Werkzeug zur männlichen Vermehrung anzuzweifeln – je tiefer die anderen, die es dennoch wagten, fallen. Träfe die Bewertung zu, die man dem Begriff der Nutte oder des Nuttenhaften beilegt, weil für die Gewährung von Lust und Liebe über die Befriedigung eigener Lust und Liebe hinausgehende Vorteile gefordert werden, dann träfe dieser Vorwurf die gesamte weibliche Sexualität, wie wir oben gesehen haben. Denn in der Art der weiblichen Sexualität liegt das Zukunftweisende bereits naturgemäß begründet. Kleine Nutten wären sie daher alle.

Allgöttliche weibliche Sexual- und Gebärmacht und monotheistische patriarchale Domestizierung
Das Problem der überschießenden weiblichen Sexualmacht ist indessen mit dieser Erkenntnis allein nicht gelöst. Niemand will in der Gesellschaft mit seinen eigenen Bedürfnissen einem anderen vollends ausgeliefert sein. Das Patriarchat hat eine Lösung dieses Problems darin gefunden, dass man die weibliche Sexualmacht über die Männer durch die Entrechtung der Frauen eingeschränkt hat. Man hat sich ihrer Körper physisch bemächtigt, indem man sie in Häusern wegschloss, aus den allgemeinen Verkehr zog, sie bis zur Unkenntlichmachung eines jegliches weiblichen Merkmals verkleidete, ihren sozialen Umgang beschränkte, sie von den meisten gesellschaftlichen Entwicklungen ausschloss, ihnen die Bildung versagte und sie mit einem Weltbild indoktrinierte, dass aus ihnen männliche Geschlechtsdienerinnen machte, beschränkt auf ihre männlich kontrollierte Gebärfunktion. Diese Rechtsbeschneidung wurde nicht anders begründet, als Aristoteles vor über zweitausend Jahren die Sklaveneigenschaft bestimmter Menschen begründete: sie seien von Natur aus und nach ihrer Zweckbestimmung Sklavenwesen. Nicht anders waren Frauen von Natur aus und dem gesellschaftlichen Zweck nach dazu bestimmt, dem Mann und seinen Bedürfnissen zu dienen. Als das Patriarchat die Macht ergriff, schrieben es die ersten Anhänger sogleich auch in ihre ersten Bücher, die zumeist mit einem männlichen Eingott endeten, das Weib sei dem Mann untertan, was bedeutet, es diene allein seinen Bedürfnissen und es findet seine Rechtfertigung und Würde allein durch ihn. Der Siegeszug des Patriarchats und damit auch des männlichen Monotheismus begann damit, dass sich die Schrift durchsetzte und damit die Abstraktionsebenen vervielfachten und ihren Anwendungsbereich ausdehnten, nach Ort und Zeit und Intensität. Dem konnten die bestehenden oftmals noch stark naturverbundenen Ordnungen nicht widerstehen. Bis dann waren es matriliniear organisierte Gruppen, die heute manche auch im Gegensatz zum Patriarchat matriarchal nennen, obgleich es eine Ordnung, die die Geschlechtsgruppen derart unterschiedlich behandelt haben wie im Patriarchat, sicherlich zuvor niemals gegeben hat – die patriarchale Entartung war selbst ein Produkt fehlgeleiteter Abstraktion. In den vor dem Aufbruch in die Abstraktion einer schriftlich verfassten Welt naturnahen Ordnungen wie matrilineare oder auch matriarchale Organisation war die weibliche Sexualmacht Teil der göttlichen Macht der Mutter Erde, der Großen Mutter oder Urmutter. Die Sexualmacht selbst war heilig und sich ihr zu unterwerfen, war Gottesdienst. Es war nicht der Willen einzelner Menschen, wie im Patriarchat, wo das Weib dem Willen eines jeden Mannes, dem es angehörte, unteran war, sondern es war Ausdruck der die Erde durchflutenden und alles Leben begründen göttlichen Macht. Sich ihr zu unterwerfen, galt als Gebet, als Verehrung der Großen Göttin oder auch der Götter. So sind auf uns auch noch einige Erinnerungen in unseren erst seit dem 1. vorchristlichen Jahrtausend beginnenden schriftlichen Aufzeichnungen gekommen, in Form von Priesterinnen, die mit ihrem Leib in den Tempeln ihren Dienst versahen. Dass die patriarchale Kultur sie als Tempelprostituierte diffamierte, ist mehr als folgerichtig, loderte doch aus ihrem Wirken in das neue System ein Atem, der die den Frauen auferlegten Fesseln hätte zerbersten lassen, wenn sie die Heiligkeit dieser Priesterinnen hätten erkennen können. In unserer Kultur, so dürfte jedenfalls anzunehmen sein, stand am Anfang die weibliche Sexualmacht und damit auch die weibliche Gebärmacht als Ausdruck der göttlichen Lebenskraft. Der Macht eines Gottes aber, zudem von der Natur mit so großem Wohlbefinden verbunden, unterwirft sich der Mensch gerne, er gewinnt dabei an Würde und Freiheit und verliert sie nicht. Somit handelt es sich eigentlich auch um keine eigentliche Macht, denn deren Ausübung erleidet ein Mensch nur dann, wenn sie durch andere Menschen erfolgt. Daher kann man feststellen, dass die weibliche Sexualmacht zu dieser Zeit durch ihre Vergöttlichung für den Menschen erlebbar und damit aber auch in Bezug auf sein profanes Leben beherrschbar war. Damit war es vorbei, als die Männer lesen lernten und ihre Macht erkannten. Eine spirituelle Beherrschung der weiblichen Sexualmacht, als welche ein Gottesdienst angesehen werden kann, schied mit der Abschaffung der Macht der Göttinnen und der schließlichen Übernahme aller Macht durch einen männlichen einzigen Gott aus. Somit konnte nur mit Gewalt und Entrechtung die weibliche Sexual- und Gebärmacht ausgeschaltet werden. Es begann das System der patriarchalen weiblichen Entrechtung, in dem die Frauen auf die ihnen zugewiesene Gebärfunktion reduziert wurden. Man kann somit dialektisch zwei Positionen festmachten, die beide die weibliche Sexualmacht beherrschbar machten: die Vorherrschaft der weiblichen Sexual- und Gebärmacht als Teil der Allgöttlichkeit, die Zurückdrängung dieser Macht durch ihre patriarchale Funktionalisierung sowie die Beschränkung der Frau auf diese Funktion.

Die Rückkehr von Eros, dem Herrlichsten aller Götter
Wenn auch viele Frauen, die ihre Geschichte der letzten Jahrtausende begreifen, meinen, das Patriarchat mit einem Matriarchat beantworten zu können, kann schon nach der üblichen geistesgeschichtlichen Entwicklung, wie sie uns Hegel lehrte, der nächste Schritt nur in einer Synthese liegen. Das liegt auch nahe. Denn Vieles, was heute unsere Welt darstellt, wäre ohne die patriarchale Vergangenheit undenkbar. Versucht man die Mechanismen des patriarchalen Systems zu verstehen, wie ihre Tricks, das Natürliche zu diffamieren und das Unnatürliche und Absurde zu normalisieren, dann bleibt uns kein anderer Weg, als uns wieder der weiblichen Sexual- und Gebärmacht zu stellen. Seit dem Abbau patriarchaler Strukturen vor allem in der abendländisch geprägten Welt können wir ganz offen feststellen, wie die weibliche Sexualmacht das Leben bestimmt, man studiere die Werbung, die neuen Medien, das kleinkulturelle Verhalten, etwa in den Urlaubsorten und Vieles mehr. Diese Erosion droht unsere gesellschaftlichen Strukturen aufzulösen. Wenn das Bild von dem weiblichen Sexualreaktor, dessen Kraft die Männer willenlos zu machen geeignet ist, stimmen sollte, dann dürfte man auch die Gefahr für das normale zivile Leben erkennen. Je mehr die patriarchalen Strukturen ihre Macht verlieren, umso mehr stehen wir der weiblichen Sexualmacht ungeschützt gegenüber. Es drängt sich daher auf: die Synthese kann nur in der Zusammenführung des ehemals allgöttlichen und des patriarchalen Ansatz bestehen. Die Vorteile der sakralen Beherrschung dieser Macht ist mit den Tugenden ihrer patriarchalen Beherrschung zu vereinen. Wir müssen daher einerseits zurückkehren zur allgöttlichen Verehrung des Sexuellen und der Gebärkraft der Natur, müssen Räume der freien Verehrung des allgöttlichen Wirkens, wie es gerade in der Lust und Liebe und auch in der Fortpflanzung zum Ausdruck kommt, finden oder schaffen, Räume, wo sich das Sexuelle im Sakralen und Göttlichen allein findet und auch erschöpft. Wir müssen Eros wiedergebären. Auf der anderen Seite müssen wir die Tugenden der Verlässlichkeit und Treue wieder zurückgewinnen und wieder zur Grundlage unseres zivilen Lebens machen. Denn alles in der Gesellschaft existiert nur dadurch, dass unser Verhalten vorhersehbar ist und ein jeder sich darauf verlassen kann, das jeder das, was er zu bestimmter Zeit und an bestimmtem Ort zu tun versprochen hat, auch tut. Das gilt zwischen allen Menschen, vor allem aber zwischen den Partnern. Weisen wir somit das Unbeherrschbare, Grundlose, Rauschafte, alles was wir als Sexuelles, als freie Lust und Liebe erleben dem Gottesdienst zu, so wie es über Jahrzehnttausende die Menschen machten, dann sind es allein die Götter, denen wir dienen. Sind wir aber wieder zu Hause, so kehren wir zurück zum Standard der Verlässlichkeit, wie er uns vor allem während der letzten zweitausend Jahre gelehrt wurde. Das ist die Synthese, mit der Sexualmacht umzugehen. Das alles aber findet ihr im Heiligtum der Sieben Göttinnen, in dem die Rückkehr der seinerzeit vom Patriarchat vertriebenen Göttinnen mit ihren Priesterinnen und Priestern vorbereitet wird, in dem aber andererseits die Treue zwischen den Menschen, ihre Verlässlichkeit nicht weniger gepriesen wird.

Samstag, 3. April 2010

Unsere Demokratie auf dem Weg in die Pöbelherrschaft

Max Stirner alias Caspar’s österlicher Aufruf

Wie sähe eine Pöbelherrschaft (Ochlokratie) aus, wenn die Demokratie entartet? Seht euch eure eigene an!


Vorrangige Befriedigung der Bedürfnisse der Herrschenden

Aristoteles hat es schon gewusst, viele Staatsphilosophen haben es eigentlich auch in ihre Untersuchungen geschrieben: Demokratie neigt zur Entartung in eine Pöbelherrschaft. Denn wenn man in der Theorie darüber nachdenkt: ist der Willen der Mehrheit stets der Maßstab, werden es auch ihre Bedürfnisse, die, erst einmal von politischen und rechtlichen Fesseln befreit, zu befriedigen, des Staates oberstes Ziel wird. Hierauf haben sich dann alle staatliche Funktionen einzustellen und zunehmend auch zu beschränken. Die dem Staat verliehene Ordnungsmacht dient nur noch dem Zweck, die Bedürfnisse der Mehrheit zu befriedigen. Der Gesetzgeber, die Verwaltung, die Rechtsprechung, aber auch die Verbände und Gewerkschaften, die ohnehin schon nach ihren Satzungen nichts anderes bezwecken, die Medien und schließlich alle Kulturträger, verfolgen kein anderes Ziel, der Mehrheit kann sich niemand widersetzen, verfügt sie doch in der Demokratie damit über jegliche politische und davon abgeleitete Macht. Als man noch von Demokratie als die gerechte Staatsform allenthalben träumte und Wenige, zumeist feudal, die anderen beherrschten, waren es Despoten, die ihre Bedürfnisse hemmungslos zum vorrangigen Ziel staatlicher Aufgaben machten. Die Reduzierung gemeinschaftlicher Aufgaben zur ausschließlichen Verfolgung der Interessen einer bestimmten Gruppe galt immer schon als Missbrauch staatlicher Gewalt. Dabei kann es aber keinen Unterschied machen, wie die hierzu beanspruchte Gewalt legitimiert wird, ob von Gottes Gnaden, kraft faktischen Zustandes oder aufgrund von Mehrheitsverhältnissen. Denn es geht dabei nicht um die Legitimierung der Macht, sondern um ihre Ausübung. Legitimierte wie nicht legitimierte Macht kann gleichermaßen missbraucht werden. Der Missbrauch liegt in ihrem Einsatz zur ausschließlichen Befriedigung der Bedürfnisse der die Macht ausübenden Personen und Gruppen. Dies zieht in allen Einrichtungen seine Kreise, woran die Entartung der jeweiligen Staatsform festgemacht werden kann. Monarchie entartet zur Tyrannis und Despotie, Aristokratie zur Oligarchie und Demokratie zu Ochlokratie, also zur Pöbelherrschaft.

Garanten gegen die Pöbelherrschaft

Nun hält die Staatslehre und auch die geschichtliche Erfahrung eine Vielzahl von Mechanismen vor, die eine Entartung, den Staat zum ausschließlichen Interessengebiet der die politischen Verhältnisse jeweils bestimmenden Kreise und Kräfte zu machen, vermeiden sollen. Die in den modernen Lehren wichtigste Beschränkung der (monarchischen, aristokratischen oder demokratischen) Macht erfolgt durch den Grundsatz des Vorranges des Rechts. Dies hat zweierlei Bedeutung: einmal hinsichtlich fester und nicht durch Mehrheitsbeschlüsse einfach änderbarer Regeln zur Schaffung und Änderung von Recht und seiner Durchsetzung, zum anderen durch den Mehrheitsentscheidung entzogenen verfassungsrechtliche Vorgaben, letzteres besonders auch zum Schutze von institutionalisierten oder ideellen Minderheiten. Dazwischen sind Abstufungen denkbar, wie qualifizierte Mehrheiten (in größerer als nur überwiegender Zahl der Stimmen) oder der Erforderlichkeit von Quoren (wiederum einer Mehrheit innerhalb einer eine Minderheit bildenden Gruppe). Als weitere Beschränkung der jeweiligen politischen Macht gilt die Möglichkeit des Wechsels, so dass jede Mehrheit morgen Minderheit und jede Minderheit morgen Mehrheit sein kann, somit der eine vom anderen nach rechtlichen Gesichtspunkten auch zur Verantwortung gezogen werden kann. Die an der Machtausübung beteiligten unterschiedlichen Institutionen sollen zudem eine Balance bilden (regierende und verwaltende, gesetzgebende und richtende Gewalt), so dass die eine die andere kontrolliert, wobei vor allem der Unabhängigkeit der Richter eine hervorgehobene Rolle im modernen staatsrechtlichen Verständnis zukommt. Die Richter sind nur dem Recht unterworfen, nach der Theorie indessen keinen anderen gesellschaftsrelevanten Entscheidungen.

Die historischen Erfahrungen lehren, dass ein System stets entartet, wenn die es begrenzenden Mechanismen ausfallen. Es verhält sich dabei nicht anders als in der Mechanik, in der eine Bewegung außer Kontrolle gerät, wenn die Begrenzungen versagen. Untersuchen wir unsere modernen demokratischen Gesellschaften, so finden wir einige bereits weit zur Pöbelherrschaft fortgeschritten. Wahrscheinlich können wir sogar am Zustand unserer eigenen Demokratie Merkmale einer reinen Pöbelherrschaft bereits studieren.

Wandlung des Staatsziels: vom Gemeinwohl zum Programmstaat
Der klassische Staat erhält seine allen gegenüber gültige Rechtfertigung dadurch, dass er sich ausschließlich am Gemeinwohl orientiert und dieses in gesetzlich festgelegten Bahnen regelt. Gemeinwohl ist ein normativer Begriff, der also wertende Elemente enthält. Er meint das auf eine bestimmte Ebene der Abstraktion gehobene Wohl aller, nicht nach Mehrheiten, nach Rang und Namen unterschieden. Er stellt dabei die Bedingungen für das Zusammenwirken aller Beteiligten her. Dieser Staatsbegriff wurde in der Praxis längst aufgegeben zugunsten eines Staates, der Programme durchführt und dazu inhaltlich in die Lebensverhältnisse seiner Bürger eingreifft, seine Beschränkung, das System als solches nur aufrechtzuerhalten, bewusst aufgegeben hat. Der Staat wurde zum Programmstaat. Zu diesem Zweck wurden aus der Verfassung einige Merkmale herausgegriffen, um sie zu verabsolutieren, wie andere ihrer Relevanz durch gleichzeitige Negierung ihrer historischen Bedeutung beraubt werden. Art. 14 GG verdeutlicht dies, wonach Eigentum und Erbrecht gewährleistet und Inhalt und Schranken durch Gesetz bestimmte werden. Als soziale Komponente wird hinzugefügt, dass Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. In der verfassungsrechtlichen Wirklichkeit hat sich schon das BVerfG als für die Auslegung zuständige Gericht nie zu einem der Verfassung vorgegebenen Institut des Eigentums und des Erbrechts bekannt (anders als der Bundesgerichtshof) – an sich beides Kernpunkte bürgerlichen Freiheitsverständnisses-, sondern definiert im Ergebnis das Eigentum ausschließlich unter seiner Sozialpflichtigkeit, als etwas, auf das etwa abgabenrechtlich beliebig und eigentlich unbegrenzt zugegriffen werden kann (die zaghaften Versuche eines begrenzenden Verfassungssteuerrechts in der Rechtsprechung zur Vermögensteuer sind längst bis zur Irrelevanz restriktiv von den nachfolgenden Richtern weginterpretiert worden). Umgekehrt wurde die sozialen Zielsetzungen in der Verfassung (Art. 20 Abs. 1: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat) zum allein vorrangigen Ziel aller staatlicher Aktivität erklärt, dem auch alle Grundrechte unterstellt werden. So wandelte sich das eigentlich demokratische Rechtsverständnis des Staates, der zuvörderst die Bedingungen für Freiheit, Gleichheit und Würde der Menschen zu gewährleisten hat, zu einem den ursprünglichen sozialistischen Staatsvorstellungen entsprechenden Gemeinschaftsgebilde: es ist Aufgabe des Staates eine soziale Gerechtigkeit zu schaffen – wobei Gerechtigkeit das Einfallstor für jedwede Bedürfnisbefriedigung geworden ist.

Desavouierung des Rechts

Diese Wandlung hat Konsequenzen, zumal man mit ihr alle geschilderten Vorkehrungen, die Entartung der Demokratie zur Pöbelherrschaft zu verhindern, beliebig ausschalten kann, wie wir es zunehmend erleben. Einer der Hauptangriffe richtet sich gegen das Recht. Recht wird in der Demokratie durch vom Gesetzgeber in einem vorgesehenen Verfahren –das Öffentlichkeit und Transparenz garantiert- geschaffen. Die Gesetze sind das Ergebnis politischer Auseinandersetzungen und entsprechender Kompromisse. In einem Staat gibt es wie in jeder Gemeinschaft naturgemäß gegenläufige Interessen, die im Idealfall durch die gesetzgeberische Entscheidung ausgeglichen werden. Sie sind für künftige Entscheidungen maßgeblich und binden die im Einzelfall Streitigkeiten entscheidenden Gerichte. Für den Richter sind nicht die unterschiedlichen Interessen, wie im Gesetzgebungsverfahren, zugrunde zu legen, sondern der Wortlaut der Gesetze, der nach dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers –wenn nötig- auszulegen ist. Dies schafft Rechtssicherheit und damit Vertrauen, eine der wesentlichen Voraussetzungen eines jeden Staates. Ohne Verlässlichkeit kann kein staatliches Wesen dauerhaft existieren. Auf diese Bastion erleben wir nun seit Jahrzehnten zunehmend heftiger werdende Angriffe, die den Rechtsstaat (den Deutschland nach der Verfassung auch sein soll) schon längst in seinen Grundfesten erschüttert hat- etwas, das aber zwangsläufig mit dem Wechsel zum Programmstaat
(ehemals sozialistische Provenienz) im Sinne eines demokratischen Sozialismus verbunden ist: das Recht in seiner Verbindlichkeit zu erschüttern.

Gerechtigkeit und Recht
Das Zauberwort ist Gerechtigkeit. Gerechtigkeit wurde immer schon als Gegenpart zum gesetzten Recht verwandt, indessen bislang nicht für den staatlichen Bereich, der nur Recht kannte. Das hat sich geändert. Gerechtigkeit kennt ein jeder Menschen aus seinem Herzen, er beurteilt danach die Abstimmung des Rechts mit seinen eigenen Interessen. Ein anständiger Mensch wendet sie auch auf sein eigenes Verhalten im Hinblick darauf an, was andere von ihm zu fordern Anspruch erheben. So kann es durchaus sein, dass der eine auf etwas verzichtet oder auch verlangt, obgleich das Recht es nicht zubilligt, aber dessen Forderung oder Gewährung doch als gerecht angesehen wird. Entsprechend bestimmt die Gerechtigkeit auch das rechtlich nicht geregelte Verhalten in der Familie und unter Freunden. In jedem Einzelnen lebt die Gerechtigkeit und hat einen für jeden greifbaren Inhalt. Anderes gilt, wenn es um die Bereiche geht, die über diese individuell überschaubaren Anwendungen hinausreichen, in weitere gesellschaftliche, wirtschaftliche und staatliche Bereiche, die gemeinheim durch das Recht geregelt werden, so beim Ausgleich unterschiedlicher Interessen. Das sind allgemeine Regeln, die in einem in der Gesellschaft zwingend vorgegebenen Verfahren aufgestellt werden und deren Beachtlichkeit (und damit Geltungskraft) zu einer wesentlichen Grundlage staatlicher und damit gesellschaftlicher Ordnung gehört. Natürlich beurteilt das Individuum, das den Maßstab der Gerechtigkeit tief in seinem Herzen trägt, die ihn betreffenden Ergebnisse der Anwendung des Rechts, wie bei gerichtlichen oder anderen Entscheidungen staatlicher Stellen, danach. Ein jeder indessen, der etwa aus der Rechtspflege mit ihnen zu tun hat, weiß, dass die meisten Menschen, ihr eigenes Rechtsbegehren stets für gerecht und das gegenläufige des anderen stets für ungerecht halten, Abweichung sind ziemlich seltene Ausnahmen. Ein Richter etwa, der das Gesetz um der des einen oder anderen Gerechtigkeit willen korrigiert, setzt sich eigentlich der Gefahr einer Rechtsbeugung aus. Denn er hat den Konflikt allein nach den gesetzgeberischen Vorgaben zu entscheiden und nur dies ist rechtsstaatlich. Gerechtigkeiten indessen gibt es so viele, wie es Anspruch stellende oder ihn zurückweisende Menschen gibt.

Missbrauch der Gerechtigkei
t
In der Gesellschaft verhält es eigentlich nicht anders. Die Gerechtigkeit, die ein jeder in sich trägt und wonach er oft auch ziemlich sicher zu urteilen vermag, die kann es in der Gesellschaft zwar nicht geben. Denn wessen Herz oder wessen Verstand soll hier maßgebend sein? Vielmehr sind es auch wieder einzelne Vorstellungen, die sich Gruppen zu eigen machen und anderen, die sie damit verpflichten wollen, entgegenhalten. In der Gesellschaft gibt es an Begriffen nur das, was man zuvor definiert. Man muss sich über die Bedeutung einig sein. Beim Recht gilt das, was der Gesetzgeber wollte und wie die Gerichte diesen oft höchst theoretischen Willen auslegen, um eine rechtssichere Anwendung zu ermöglichen. Bei der Gerechtigkeit indessen kann es nur eine politische Vorstellung sein, deren man sich zur besseren Durchsetzung seiner in der Tat (selbst) für gerecht gehaltenen Ansprüche bedient. Wieso aber sollen sich die hierdurch angeblich Verpflichteten dem beugen, denn sie sind ebenso sicher, dass die an sie gestellte Forderung ungerecht ist. Gäbe es eine zweifelsfrei feststellbare Gerechtigkeit, die in der Gesellschaft über jeden Zweifel erhaben Gültigkeit beanspruchen könnte, dann müsste sie für jeden gelten. Das heißt aber, dass das Begehren ebenso wie die Inanspruchnahme gerecht sein müsste, eine jede Verwendung von staatlichen Mittel zur Umverteilung ebenso gerecht sein muss, wie alle Umstände ihrer Erhebung und dass dies jedenfalls von lauteren Menschen auch einzusehen wäre. Eine gleichermaßen gerechte Verteilung der erhobenen Abgaben wie ihre Erhebung wird sich aber nie herstellen lassen. Würde man indessen diejenigen, die von erhobenen Abgaben überwiegend profitieren einerseits und die, von denen sie überwiegend erhoben werden, anderseits getrennt über die Gerechtigkeit der Maßnahme abstimmen lassen, dann dürften die sich widersprechenden Ergebnisse sicher sein. Es dürfte sein wie vor dem Gericht, eine jede der dort streitende Parteien hält sein Anliegen für gerecht und die es ihm verweigernde Entscheidung des Richters daher für ungerecht. Mit Gerechtigkeit können daher jedenfalls poltische Konflikte innerhalb der Gesellschaft nicht gerecht gelöst werden. Es bedarf des vorgegebenen Verfahrens und der gesetzlichen Entscheidung, die damit Recht schafft und der man sich ungeachtet des eigenen Gerechtigkeitsgefühls zu unterwerfen hat. Gerechtigkeit entwickelt sich daher auch zunehmend zu einem Fluch der Demokratie. Denn tatsächlich wird das für gerecht gehalten, was die Mehrheit von der Minderheit glaubt verlangen zu können. Damit aber wird der Rechtsstaat unterlaufen, denn dieser sieht zur Bewältigung solcher Auseinandersetzungen allein den in ein Gesetzgebungsverfahren mündenden politischen Prozess vor. Damit enttarnt sich die Gerechtigkeit als das was sie in der politischen Auseinandersetzung ist, als politisches Kampfmittel den anderen ethisch oder auch moralisch zu diffamieren. Dem Verpflichteten soll von vornherein die moralische Kompetenz, seine Interessen demokratisch zu verteidigen, genommen werden. Auf Gerechtigkeit beruft man sich in der politischen Auseinandersetzungen allein, um den Verpflichteten ihre legitimen Rechte zu beschneiden. Besonders lässt sich dies bei der scheinbar über jeden Zweifel erhabene sozialen Gerechtigkeit nachweisen. Am Beispiel der Einkommensteuer lässt sich das verdeutlichen. Hier bringen nach dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung 30 % der Steuerpflichtigen etwa 80 % der Steuer auf, während 50 % nur 6,5 % zahlen. Bezogen auf das Verhältnis Mehrheit/Minderheit verhalten andere Abgaben sich nicht viel anders. Jede Maßnahme, die mit einer sozialen Gerechtigkeit begründet wird, begünstigt aber in dem umgekehrten Verhältnis die einen, wie die anderen von den sie finanzierenden Abgaben belastet werden. Das heißt es steht von vornherein fest, dass die Minderheit um das Maß der Vergünstigungen der Mehrheit belastet wird. Bei der sozialen Gerechtigkeit der Maßnahme wird aber nicht danach gefragt, ob die Belastung für die Belasteten gerecht ist, sondern ausschließlich nach dem Erwartungshorizont der Begünstigten entschieden. Damit wiederlegt sich ein allgemeingültiger Begriff der Gerechtigkeit von selbst. Als politischer Kampfbegriff dient er allein der Gruppendominanz. Wohlgemerkt, es geht nicht um die Entscheidung im Gesetzgebungsverfahren, sondern um die Unlauterkeit im Vorfeld, um den Belasteten die Argumentation von vornherein zu beschneiden. Dies erfolgt dann mit dem Gewicht der Öffentlichkeit, die die Maßnahme als gerecht preist und die Geltendmachung der gegenläufigen Interessen der Belasteten als ungerecht. Auch dies gilt nur kraft der Ausnutzung der Stellung der bloßen öffentlichen Mehrheit – ein Umstand, gäbe es eine objektive und eindeutige Gerechtigkeit, der dafür niemals entscheidend sein dürfte. Praktiziert wird aber wie einst und je, Gerechtigkeit bestimmt derjenige, der die politische Macht ausübt. So war es früher mit der Gottgefälligkeit, mit der Königstreue, mit Volks- und Klassenhörigkeit, der national- und klassensozialistischen Gesellschaften. So entpuppt sich selbst die soziale Gerechtigkeit immer mehr als Totengräber der nicht ochlokratischen Demokratie.

Rückzug des Rechts

Den Rückzug von Recht und Rechtsicherheit lässt sich allenthalben beobachten. Dies geschieht unter dem Mantel von Gerechtigkeit und Billigkeit, wie wir gesehen haben, Begriffe aus der politischen Auseinandersetzung mit den Begehren der Mehrheit angefüllt. Damit werden der Demokratie auf dem Weg zur Pöbelherrschaft die entscheidenden Stützen und Dämme entzogen. Das Recht zu beugen, um die Vorstellungen einer sozialen Gerechtigkeit außerhalb des parlamentarischen Weges auf den Weg zu bringen, wird zunehmend zur Tugend der das Recht Anwendenden einschließlich der Richter. Unter dem Namen von Gerechtigkeit und (beliebiger) Billigkeit werden offen die Belange der Mehrheit zu Lasten der Minderheit verfolgt und mit der Aufgabe, soziale Gerechtigkeit herzustellen, begründet. Das Recht erweist sich als Mittel zum Zweck der politischen Programme, staatsrechtlich eines der wichtigsten Weichenstellungen zum Totalitarismus. Dass Recht die verfolgten politischen Zielsetzungen allein im Gesetzwortlaut finden kann, ist einer der wesentlichen Voraussetzungen eines jeden demokratischen Rechtsstaats. Die Aufgabe der Vorstellung von der autonomen Geltungskraft des Rechts durch seine Instrumentalisierung im Sinne der von der herrschenden Mehrheit wirklich oder auch nur scheinbar verfolgten Absichten und politischen Zielen (und Zwecken) ist bereits das entscheidende Zeugnis für die Wandlung der Demokratie zur Pöbelherrschaft. Der Pöbel verkündet seine Meinungen scheinbar in den Medien und nunmehr folgen ihm selbst die Gerichte willig. Nehmen wir die Aufweichung des in Jahrhunderten, wenn nicht sogar Jahrtausenden entwickelteten Tatbestands des Diebstahls, immerhin eines der Gebote des Dekalogs, der zehn Gebote. Das Gesetz ist eindeutig, Diebstahl ist die Entwendung eines jeden Gegenstands unabhängig von seinem Wert, stets war es communio opinio, dass die gesellschaftliche Ordnung keine Ausnahme erlaubte. Allein der sogenannte Mundraub war über lange Zeit durch eine deutlich geringere Strafbarkeit privilegiert, wenn Nahrungs- oder Genussmittel zum alsbaldigen Verbrauch entwendet wurden. Der Gesetzgeber wandelte diese Bestimmung 1975 um, indem der Diebstahl oder die Unterschlagung von Gegenständen von geringem Wert nur noch auf Antrag verfolgt wurden, denn Hunger konnte angesichts der sozialen staatlichen Garantien einen Diebstahl nicht mehr rechtfertigen. Damit ist die Frage nach der Bedeutung des Wertes eines entwendeten oder ebenso eines unterschlagenen Gegenstands strafrechtlich abschließend behandelt. Andererseits war die Begehung von Straftaten zu Lasten seines Arbeitgebers stets ein Kündigungsgrund. Anders aber nun in der Ausrichtung des Rechtes auf die soziale Gerechtigkeit. Diebe, die sich am Eigentum ihres Arbeitgebers vergehen, gehören meist der Gruppe der sozial Schwachen an, weswegen nach Meinung der Mehrheit –wenn die Darstellungen in den Medien zutreffen sollten- es sozial ungerecht sei, das Recht in seiner angeblichen Härte anzuwenden. Nach anfänglichem Zögern folgen ihr die Richter zunehmend mehr und begehen dabei nach klarer Definition einen Akt der Rechtsbeugung, wie vor allem in der Arbeitsgerichtsbarkeit, denn sie wenden die sich aus dem geltenden Recht ergebenden Rechtsfolgen eines Diebstahls oder einer Unterschlagung vorsätzlich nicht an, um einem politischen Willen- möglicherweise der Mehrheit- Rechnung zu tragen. Nachdem indessen die Frage der Bedeutung des Wertes abschließend in den Gesetzen geregelt ist, wäre es allein Sache des Gesetzgebers, die Maßstäbe hierfür und seine Bedeutung zu ändern. So aber zwingen die Arbeitsgerichte zur Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern (oder zu teuren Abfindungen), die im Rahmen der Erfüllung ihrer Arbeitspflichten ihren Patron bestehlen und seine Arbeitsmittel unterschlagen können. Beispiele für diese Entwicklung sind Legion, man denke an die dauernde Änderung von Rechtsgrundsätzen im Wohnungsmietrecht zu Lasten der Vermieter, man denke an die Bagatellisierung von offensichtlichem Betrug beim Bezug von staatlicher Unterstützung. Die Bagatellisierung, in vielen Fällen auch nachträgliche Rechtfertigung von solchen Betrügereien durch Gesetzesanpassungen, geht soweit, dass es schon als sozial ungerecht gilt, hierzu überhaupt flächendeckend Tatsachen zu erheben.

Freiheiten für die Mehrheit, Entzug für die Minderheit

Die Wandlung zur Ochlokratie macht naturgemäß vor den höchsten Gerichten nicht halt. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat mittlerweile die ursprüngliche Bedeutungen von auf einen Ausgleich der Interessen innerhalb eines Staates gerichteten Regelungen vollkommen zugunsten der politischen Interessen der Mehrheit der sozial Schwachen verschoben, indem es dem einen unverhältnismäßig große Bedeutung einräumt, das andere in die Bedeutungslosigkeit verschiebt. Die bürgerlichen Gewährleistungen von Eigentum und Erbrecht, hat es ohnehin von Anbeginn die Anerkennung versagt, die Freiheit hat es zugunsten der Gleichheit und den sozialen Ausgleichsbedürfnissen der Mehrheit auf ein abstraktes Ideal reduziert, zudem versagt es die dennoch nicht gänzlich zu beseitigenden Vergünstigungen der Freiheit konsequent der Minderheit, die zu Gunsten der Mehrheit belastet wird. Der Teil der Bevölkerung, die etwa nahezu die Gesamtheit der Lasten trägt, wovon die Mehrheit profitiert, verbringt naturgemäß den Hauptteil seine Zeit mit dem Erwerbsleben, während die zu Lasten der Gemeinschaft alimentierten Menschen, sich mit vielem anderen beschäftigen können, vor allem mit ihrer Freizeit. Die Lebensräume unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Gewichtigkeit der wirtschaftlicher Freiheiten. Diese hat zwar das Bundesverfassungsgericht vor allem im Rahmen der Berufsfreiheit anerkannt, indessen mit einer solchen Schwäche den Belangen der für sozial schwach gehaltenen Bevölkerung gegenüber, dass die wirtschaftlichen Freiheiten stets zurückzuweichen haben, wenn sie nicht gar aufgehoben werden. Nehme man, worauf die Verfassungsrechtlicher besonders stolz sind, den Datenschutz, den sie im internationalen Vergleich teilweise bahnbrechend mitbegründet zu haben glauben. Einen Datenschutz im wirtschaftlichen Bereich aber gibt es nicht. Aufgrund von Aufzeichnungs- und Meldepflichten der Erwerbstätigen, Kontroll- und Eingriffsrechten des Staates ist ein jeder im Erwerbsleben stehender Bürger unbeschränkt gläsern. Jede seiner sich wirtschaftlich niederschlagenden Handlungen wird so erfasst, dass sie staatlichen Kontrolleuren nahezu frei zugänglich sind. Jedes Konto ist dem Staat bekannt und jede Bewegung dort kann von ihm festgestellt werden, wenn er ein Interesse daran hat. Hier enden alle Freiheiten. In seinen wirtschaftlichen Aktivitäten ist jeder Mensch lückenlos mit allen seinen Daten dem Staat offen wie ein Buch, er muss es nur lesen wollen. Dieser partielle Ausschluss eines jeden Datenschutzes trifft natürlich nicht die große Mehrheit, sondern nur die kleine Minderheit. Wenn etwa 30 % der Bevölkerung 80 % der Einkommen- und Lohnsteuer zahlen, und 50 % nur 6,5 %, dann ist der mangelnde Datenschutz hinsichtlich des geschaffenen Abbild der wirtschaftlichen Existenz naturgemäß für 30 % gravierend, während es für 50 % keine oder kaum Bedeutung hat. Dass natürlich die zunehmend lückenlosere Erfassung der wirtschaftlichen Lebensräume darin seinen Grund hat, dass der Staat immer mehr umverteilt, um der sozialen Gerechtigkeit und ihrer Gier mit dem ihm von der Mehrheit vorgegebenen Inhalt gerecht zu werden, zeigt, dass der Abbau demokratischer Grundfreiheiten auf Seiten der Minderheit ausschließlich der Erfüllung der sich ständig vermehrenden Bedürfnisse der Mehrheit dient, einem wesentlichen Merkmal der Ochlokratie.

Steuermissbrauch zugunsten der Mehrheit

Der Abbau von Freiheitsrechten zu Lasten derjenigen, die die Zeche des Sozialstaates, wie er von der Mehrheit sich zurechtgelegt wird, erwirtschaften müssen, findet sich überall. Dass die Gerechtigkeit stets vor den Belangen der wirtschaftlich bedeutsamen Minderheit halt macht, haben wir schon gesehen. Der Umstand eines verfassungsrechtlich nicht, oder nur in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen kontrollierten Steuerrechts (dabei muss man sich mit Ausnahme des gescheiterten Versuchs der verfassungsrechtlichen Begrenzung der Steuererhebung auf die Hälfte des Einkommens klar machen, dass sich das BVerfG dort allein auf die Umstände der Steuererhebung, nicht indessen auf deren Inhalt bezieht – gegen eine hemmungslose Inanspruchnahme der Minderheit haben auch die Verfassungsrichter nichts einzuwenden, beziehen sie ihre Vergütung schließlich auch von ihnen) wird noch dadurch verstärkt, dass das Steuerrecht als solches zwar von einer ungeheuren Vielzahl von Vorschriften gekennzeichnet ist, indessen dennoch weder zur Rechtssicherheit, noch zur Rechtsklarheit, genau genommen zu überhaupt nichts führt, was an sich den Stellenwert des Rechts einer Demokratie begründet. Die fehlende Bestimmtheit und Klarheit des Steuerrechts wurde sogar vom BVerfG mehrmals gerügt, ohne indessen Folgen anzudrohen. Das Chaos dient allein dem Staat, der allein über die Anwendung und Auslegung entscheidet. Übliche rechtsstaatliche Grundsätze sind im Steuerrecht ausgenommen, wie z.B. das im Ergebnis weitgehend ausgeschaltete Rückwirkungsverbot zeigt. Aber auch einst steuerrechtlich verbindliche Verfahrensgrundsätze sind weitgehend durchlöchert, wie das einstige Verbot der Mehrfachbesteuerung, die kaum herzustellende Bindung an erteilte Auskünfte, die Verlässlichkeit einer Kontinuität in der Beurteilung, objektiv (außerhalb der Finanzverwaltung) nachprüfbare Fristenregelungen und ihre Behandlung. Die Anwendung im Dschungel des Steuerrechts kann mit dem Grundsatz tendenziell beschrieben werden: in dubio pro tributo, im Zweifel für die Steuereinnahme. Ein inhaltlich neutrales Rechtsmittelverfahren gibt es nicht, gleiches gilt mit Einschränkungen auch von der Rechtsprechung. Die Finanzgerichtsbarkeit ist die Selbstjustiz des Steuerstaates. Abgesehen von Feigenblattaußenseitern kommen die Richter aus dem bewährten Chor besonders effektiver Steuereintreiber, was vor allem sie zum Richteramt befähigt hat. Sieht man einmal von der Behebung innerbetrieblicher Unfälle in der Finanzverwaltung ab, dient die Rechtsprechung ausschließlich der Sicherung der staatlichen Einnahmen. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Steuerbürgers in die Rechtsanwendung und Praxis der Steuererhebung gibt es nicht. Und die Farce eines vorgeblichen rechtstaatlichen Schutzes wird noch dadurch auf die Spitze getrieben, dass das Bundesfinanzministerium (im Misstrauen gegen seine Gefolgsleute) die verfassungsrechtlich bislang unbeanstandet gebliebene Befugnis beansprucht, die Anwendung von Urteilen des Bundesfinanzhofes in der allgemeinen Rechts- und Verwaltungspraxis außer Kraft zu setzen. Dass sich hieran nichts ändert hat wieder seinen Grund darin, dass eine möglichst effiziente und ertragreiche Steuererhebung von der Mehrheit gewünscht wird, da sie von diesen rechtstaatlichen Defiziten nicht berührt sind, aber ihre nach ihrem Gerechtigkeitsmodell zu erfüllenden Bedürfnisse davon profitieren, wiederum ein untrügliches Zeichen der Ochlokratie. Die Richtigkeit dieser Annahme wird dadurch belegt, dass nach einem Umfrageergebnis die Mehrheit eine Steuersenkung ablehnt. Man sieht, das Bewusstsein hat sich gedreht und die Mehrheit weiß, dass es die Minderheit ist, von der sie lebt.

Aushöhlung des demokratischen Machtwechsels als Korrektiv
Nicht nur die Ausschaltung des Rechts als Garant der Demokratie sondern auch der Leerlauf des demokratischen Prinzips des Wechsels (jede Mehrheit ist die Minderheit von morgen und umgekehrt) bereitet der Pöbelherrschaft den Weg. Das demokratische Wechselprinzip kommt nur dann zu tragen, wenn die wechselnden Mehrheiten überhaupt herstellbar sind. Durch unseren modernen Sozialstaat, der von einigen Politkern als die größte Bereicherung neuzeitlicher Staatsformen gepriesen wird, wurde das Wechselprinzip ausgehöhlt, es läuft nunmehr leer. Denn der Wohlfahrtsstaat hat sich systematisch die von ihm Abhängigen geschaffen und sie permanent vermehrt. Die Politiker versorgen ihre Wähler mit sie abhängig machenden und sie ihrer Selbständigkeit beraubenden Wohltaten und zum Dank für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse wählen die Abhängigen dieselben Politiker oder ihre Politik, die, in Erfüllung ihrer Versprechungen, die Abhängig durch weitere Wohltaten vergrößern. So schafft sich das System des Sozialstaats von allein die zu bekämpfende soziale Not (die Armutsdefinition ist das beste Beispiel: arm ist, wer 50 oder 60 % des Durchschnittseinkommens hat, die Definition garantiert den Fortbestand der Armut, es sei denn man erreicht den urkommunistischen Zustandes totaler Gleichheit – dieses aber nicht in der Leistung sondern nur im Bezug), und den Rettern ihre Machtgrundlage durch treue von ihnen abhängige Wähler. Erreicht das System mehr als die Hälfte der im wesentlichen nur noch von staatlichen Leistungen Abhängigen, dann ist der point of no return erreicht, ganz gleich, wen die Mehrheit mehrheitlich wählt, die Identität ihrer Interessen mit dem Gemeinwohl ist garantiert. An diesem Punkt sind wir angelangt, wie die mehrheitliche Ablehnung einer Steuersenkung zeigt. Seitdem hat sich die Sprache verändert, es wird offen von dem System des demokratischen Sozialismus, dem wir frönen, selbst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gesprochen. Die soziale Gerechtigkeit wird ungeschminkt als Bereicherung der Mehrheit zu Lasten der Minderheit gepriesen, das Lohnabstandsgebot und das Leistungsprinzip, auf den Lippen noch bekannt, gelten in Wirklichkeit als teuflischer Tabubruch, der den sozialen Frieden in Frage stelle. Freiheit gibt es nur, um die soziale Gerechtigkeit herzustellen. Dies gilt auch für die Meinungsfreiheit, wer die Wohltaten der sozialen Gerechtigkeit bezweifelt und sie als soziale Selbstgerechtigkeit brandmarkt, wird wegen Volksverhetzung verfolgt. Propagandistisch ist alles gleichgeschaltet im Sinne der Mehrheit. Ist die Herrschaft der Mehrheit aber erst einmal zur Pöbelherrschaft entartet, gewinnt der Sozialfaschismus an Kraft und es gibt keine Chance für die auszuplündernde Minderheit, auf demokratischen Weg künftig je noch einmal Mehrheit zu werden. Die großen Parteien verlieren jeden Unterschied, die Mehrheit bleibt, gleich wer regiert. Ein weiterer Umstand zur Sicherung der Demokratie vor dem Verfall zur Ochlokratie ist zunichte gemacht.

Gleichschaltung der Kultur und Medien

Die Kultur einschließlich der Medien sind ebenfalls längst im Sinne der Mehrheit bereinigt und propagandistisch gleichgeschaltet, der demokratische Sozialismus im Sinne der sozialen Selbstgerechtigkeit siegt auf allen Wegen. Dafür sorgen die an sich marktwirtschaftlichen Mechanismen der Informationsindustrie, die ihre Produkte möglichst zahlreich verkaufen will. Die Ansprüche an den Inhalt der Information und an die Qualität ihrer Beschaffung und Strukturierung sind passé. Der Qualitätssicherung in Form von einer Informationsehre verpflichteten Personen hat man sich längst entledigt und damit auch des Anspruchs auf neutrale Information, die dem Empfänger ein eigenes Urteil erlaubt. Ziel der Informationsverbreitung ist nunmehr, diesem eigenen Urteil rechtzeitig zuvorzukommen. Nicht anders als wir aus totalitäten Gesellschaften kennen, dient die Verbreitung der Information dem politischen Programm der Mehrheit, der Verbreitung der sozialen Gerechtigkeit, die immer nur die Verteilungs-, niemals aber die Erhebungsgerechtigkeit meint. Es ist nichts anders, wenn sich allein alles nach der Klasse oder der nationalen Rasse richten würde. Jemand der sich dem Gleichklang der sozialen Propaganda entzieht, erhält Berufsverbot (oder, wenn dies nicht möglich ist, werden ihm wichtige Arbeitsbereiche genommen, wie bei der Bundesbank), eine Art Radikalenerlass für soziale Störfriede kündigt sich an. Mittels ausgreifender Antidiskriminierungsgesetze arrestiert man die Meinungsfreiheit. Die Qualität sinkt auf allen Ebenen, was einst als hochstehend galt, wird auf Nebenplätze verschoben, des Pöbels Wille regiert die Kultur und die Medien. Denn der Pöbel hat die Mehrheit.

Wider dem Paretoprinzip: Das Schlachten der Milchkühe
Nehmen wir einmal nur an, dass das Paretoprinzip Gültigkeit habe, wonach 20 % der jeweils Beteiligten 80 % der Leistung erbringen oder 80 % jeweils von dem Profitieren, was 20 % schaffen, ein durchaus undemokratischer Ansatz, der aber zwingend zur Entgleisung einer jeden echten Demokratie zu einer Pöbelherrschaft führen muss – wenn die Sicherungen nicht greifen. Im Paretoprinzip ist das Verhältnis 20/80 nur bildlich gemeint, es können auch 25/75 oder 30/70 oder auch 15/85 sein. Es geht vielmehr um die Aussage, dass es immer die große Mehrheit ist, die von den Leistungen der deutlich kleineren Minderheit profitiert. Bei den Einkommen und den Steuern ist es so, wie wir gesehen haben, auch in anderen Bereichen zeigt sich stets, 20% des Einsatzes bringt 80% des Erfolges, bei Wikipedia schreiben 20% der ständigen Mitarbeiter 80 % der Artikel, bei Investitionen bringen 20 % bis zu 80 % des Gewinns und kontrolliert man sich selbst kritisch, dann findet man etwa unter Produktivitäts- und Kreativitätsgesichtspunkten ein entsprechendes Verhältnis bei seiner eigenen Arbeit. Genau genommen scheint das Paretoprinzip daher auch gar keine politische Aussage zu treffen und erst recht keine Aussage über den Wert und die Würde von Beteiligten, sondern eine eher naturwissenschaftlich Verteilung von Arbeit und Leistung zu beschreiben. Diese Beschreibung wiederlegt die ohnehin praxisferne Annahme, dass die Menschen zum Erfolg das Gleiche beitragen. Gleichheit im Erfolg gibt es nicht, Gleichheit kann nur in den Bedingungen gewährt werden. Würde man per Revolution alle Vermögen unter allen Menschen gleich verteilen, so hätten wir spätestens innerhalb einer Generation von 30 Jahren keine andere Verteilung der Vermögen als heute. Jede politisch erzwungene Verteilung ist stets ein Eingriff zugunsten der weniger erfolgreichen Mehrheit in den von einer Minderheit erzielten Erfolg. Daran kann keine Gleichheitsideologie etwas ändern und auch nicht daran, dass die Mehrheit die erfolgreichere Minderheit benötigt, um ihre Lebensverhältnisse zu sichern. Die Kuh, die man melkt, besagt eine alte Bauernregel, schlachtet man nicht. Der Pöbel aber genießt seine Macht, die beinhaltet auch, die Kühe zu schlachten, im irrsinnigen Glauben, damit noch mehr Milch zu erhalten. So wird der Pöbel mit immer weniger Milch dastehen, das ist der Preis einer verbohrten Gleichheitsideologie, wie sie oft die Uneinsichtigkeit in wirtschaftliche und gesellschaftliche aber auch in individualmenschliche Verhältnisse hervorbringt. Statt die Umstände zu respektieren und auch zu fördern, die die Kuh die Milch geben lässt, macht der Pöbel blind von seiner Mehrheitsmacht Gebrauch und die Medien spenden tosend Beifall, nicht anders wie vor Jahrhunderten selbst dem schwachsinnigsten Potentaten wegen seines Geistes die Hofschranzen schmeichelten.

Widerstand

Natürlich gelingt es dem herrschenden Pöbel nicht, die Kühe zu schlachten und 20 % derjenigen, die 80 % der Leistung bringen, zu vernichten. Dagegen spricht wiederum das Paretoprinzip. Denn käme es zum Kampf, würden auch 20 % der Kämpfenden 80 % der Waffen erfinden und herstellen und erfolgreicher führen. Und 20 % der Feldherren würden 80 % der Erfolge auf dem Felde einfahren, während 80 % nur 20 %. Wohl kann es aber sein, dass die Besseren sich von der zur Ochlokratie verkommenen Demokratie abwenden und, um ihre eigene Freiheit gegen den Missbrauch der politischen Macht der Mehrheit zu verteidigen, sich ihren Forderungen entziehen. Dies dürfte auch der Grund der regelmäßig erfolgenden allgemeinen Aufschreie sein, wenn auf den Umstand hingewiesen wird, dass die Meisten Kostgänger von Wenigen sind. Je mehr sich dies nämlich die Wenigen bewusst werden, umso schwächer wird die Macht der Mehrheit. Denn Macht ist nichts anderes als die Möglichkeit, Menschen zu veranlassen, an bestimmter Stelle zu bestimmter Zeit etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen. Je weniger man davon überzeugen kann, um so mehr schwindet die Macht. Wie bei dem das Ganze stabilisierenden Beitrag kommt es auch für die Wirksamkeit seines Entzuges auf dessen Gewicht an, denn wo es um um Effizienz geht, versagt die Gleicheit. Würden die 20%, die die Minderheit bilden, sich verweigern, bräche ein jedes Staatswesen sogleich zusammen, der die Macht ausübenden Mehrheit ginge in Kürze jegliche Luft aus, selbst sogar um den Zusammenbruch ihrer sozialen Selbstgerechtigkeit noch laut zu bejammern. Das ist die Macht der scheinbar beliebig melkbaren Kühe! Je pöbelhafter aber die Welt wird, umso wahrscheinlicher wird es, dass die Kühe zu ihrer natürlichen Macht zurückfinden. Dann ist das Ende der zur Ochlokratie verkommenen Demokratie gekommen. Bis dahin wisset, wer nicht geliebt wird, liebt auch nicht zurück. Wer Gesetze zu eigenen Zwecken statt denen des Gemeinwohls missbraucht, entbindet alle andere von der Gesetzestreue. Und Solidarität gibt es nur unter den Solidarischen, sie verpflichtet den Geber nur, wenn mit ihm der Nehmer solidarisch ist. Eine Pöbelherrschaft indes missbraucht Solidarität nur für die Interessen der herrschenden Mehrheit und verweigert sie der Minderheit. Da kann man noch so viele Ganoven verdingen, um die Mehrheit zu bereichern. Werte entstehen nur dort, wo sie geschaffen werden und das geschieht nicht dort, wo man selbstgerecht nach sozialer Gerechtigkeit schreit, meint Max Stirner alias Caspar.